Paarkonflikte - Was ist bloss mit uns los?

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Trennung / Scheidung - Was ist bloss mit uns los?

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1. Was Sie hier finden

Konflikte gehören zum Leben, gerade auch Konflikte in Partnerschaften und Familie. Kein "Beitrag" kann sie aus der Welt schaffen, so wenig wie die damit verbundenen Gefühle. Geht es um eine Trennung oder Scheidung, erleben wir starke Gefühle des Verlusts, des Schmerzens, der Depression, der Ohnmacht, der Wut, aber auch die der Erleichterung, der neuen Zuversicht. Alle vom Konflikt Betroffenen erleben solche Gefühle. Es gibt bestimmte Möglichkeiten, die den Umgang mit diesen Konflikten und Gefühlen erleichtern können. Diese möchten wir Ihnen kurz vorstellen.

2. Wer die Wahl hat, hat die Qual

Paare unterstehen heute einem viel stärkeren Wandel als noch vor zwei oder drei Jahrzehnten. Die Menschen sind weitgehend aus ihren traditionellen Beziehungen und Rollen herausgelöst, sind weniger auf die gegenseitige Versorgung angewiesen. Sie sind in Arbeit und Freizeit auf sich selbst und ihre Chancen und Risiken verwiesen. In einer Zeit, in der Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung von beiden Geschlechtern sehr stark mit dem Beruf verknüpft sind, bleibt oft nicht genug Raum für die Partnerin bzw. Partner mit eigenen Zielen. So müssen für Partnerschaft und Beruf von Zeit zu Zeit neue Regelungen und Umgangsformen gefunden werden, ohne dass es genaue Muster und Orientierungshilfen gibt.

Ziele setzen zu müssen, bedeutet aber auch Ziele setzen zu können. Gerade auch in einer Konfliktsituation ist es hilfreich, sich über seine eigenen Wünsche und Vorstellungen klar zu werden und diese dem Partner oder der Partnerin mitzuteilen. Es ist hilfreich zum Partner in der "Ich"-Form zu sprechen ("Ich ärgere mich über Dich. Ich möchte ....", statt: "Du ärgerst mich, weil du immer ...."). Das hilft, sich auf das zu konzentrieren, was man selbst ändern kann. Versetzen Sie sich zusätzlich auch in die Partnerin oder den Partner, um dessen Sichtweise besser verstehen zu können.

3. Wenn das Gespräch schwierig wird

Oft ist das Gespräch unter den Parteien derart beeinträchtigt, dass sie es ohne Hilfe von aussen nicht wieder einrichten können. In einer solchen Situation kann eine professionelle Hilfe Paare unterstützen. Erfahrungen zeigen, dass Paare viele Themen auch mit Hilfe eines Mediators eigenverantwortlich verhandeln und regeln können. Schon die Ermöglichung eines Gesprächs miteinander kann so ein Thema sein. Auch Wünsche und Ziele jedes Partners und deren Abstimmung miteinander kann man miteinander aushandeln. Oft erarbeiten Paare, die sich noch nicht entscheiden können, ob sie zusammenbleiben oder sich trennen werden, Regelungen sowohl für den Fall, dass sie zusammenbleiben, als auch für den Fall, dass sie sich trennen werden (Trennungsvereinbarungen).

Ambivalenz

Durch das offene Verhandlungsthema verliert die Frage der Fortsetzung oder Trennung ihren bedrohlichen Charakter, ja kann sogar zur Chance werden. Durch das Nachdenken über die gemeinsame Situation vermeidet man auch Vorstellungen und Fantasien, die viele Betroffene rückblickend als Irrtum bezeichnen, wie etwa:

"Mit der Trennung oder Scheidung
 > endet die Beziehung und werde ich Schwierigkeiten los".
Oder:
"Mit der Trennung oder Scheidung
 > entsteht eine Ein-Eltern-Familie, in der ein Elternteil die Kinder hat und
    sie ihm gehören."

4. Trennung und Scheidung

Veränderte Lebenslage

Kommt es zu einer Trennung oder Scheidung, entwickeln sich die Lebenslagen - von Männern und Frauen, Eltern und Kindern - in unterschiedlichen Richtungen. Da Trennung, Scheidung nur die Beziehungen zwischen den beiden Ehepartnern beendet, geht die Beziehung zwischen Eltern und Kindern weiter; es bildet sich die Scheidungsfamilie, mit ihren eigenen Themen. Eine neue Alltagsorganisation ist nötig. Es muss geklärt werden, wer die Wohnung bekommt, welche Teile des Hausrats, welche Erinnerungsstücke, wie viel Unterhalt zu zahlen ist, wer mit den Kindern lebt, ob ein Wechsel der Umgebung, der Schule ansteht, wie mit den Kontakten zu Verwandten und Freunden umgegangen wird. Auch hier hilft es, vor allem von den eigenen Wünschen und Vorstellungen zu sprechen und sich auf das zu konzentrieren, was man selbst ändern kann. Hinderlich sind dagegen Anklagen und Vorwürfe, denn sie lösen meist nur eine verletzende Gegenreaktion aus und betreffen oft Geschehnisse, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen. Betroffene berichten nachträglich oft darüber, dass die eigene Sicht während der Trennung keineswegs die ganze Wahrheit war.

Weil viele der sich stellenden Fragen für die Beteiligten ungewohnt und mitunter kompliziert sind, ist es von Vorteil, sich beraten zu lassen. Auch hier bietet sich in erster Linie eine Beratung oder eine Mediation. In der Rechtsauskunft der Bezirksgerichte können Ihnen nur die wichtigsten Grundlagen vermittelt werden. Eine eigentliche Trennungs- bzw. Scheidungsberatung, juristisch und psychologisch, ist in diesem Rahmen nicht möglich.

Sich Zeit geben

Trennung und Scheidung sind keine statischen Ereignisse. Sie entwickeln sich und dauern bis zur endgültigen Bewältigung eine ganze Zeit lang an, in der Regel 2 bis 3 Jahre. Die Partner machen dabei unterschiedliche Gefühle durch, die sich abwechseln und von Wut über Verzweiflung bis zu Trauer reichen können. Erst nach einer gewissen Zeit - sie ist bei allen Menschen sehr unterschiedlich lang - wird eine Neuorientierung möglich. Man schaut wieder in die Zukunft, ist bis zu einem gewissen Grad wieder besser in der Lage, miteinander zu verhandeln. Die Partner sollten daher darauf achten, einander genügend Zeit zu geben, um sich auf die neue Situation einzustellen. Es ist besser, eine Diskussion erst zu führen, wenn beide Partner das Geschehene schon ein wenig verdaut haben, alszu versuchen, eine Entscheidung zu erzwingen.

Auch eine Mediatorin oder ein Richter hat dies im Blick. Niemand nimmt es Ihnen übel, wenn Sie einen Antrag auf Regelung des Getrenntlebens stellen und ihn kurze Zeit später wieder zurückziehen oder wenn Sie einen Mediationstermin absagen. Emotionen sind "normale" Erscheinungen des Trennungsprozesses. Die Worte der Beteiligten (oder bei "Streittrennungen bzw. Streitscheidungen" ihrer Anwälte) werden im Prozess nicht auf die Goldwaage gelegt.

Das Umfeld beachten

Von einer Trennung sind immer auch weitere Personen betroffen: Kinder, Eltern, Geschwister, Freunde, neue Partner bzw. Partnerinnen, Kinderärzte, usw. Sie alle haben eine Sichtweise des Problems und wollen häufig mitreden. Es ist hilfreich, auch dem Umfeld die eigenen Wünsche und Vorstellungen klar zu machen. Dazu gehört, dass die entsprechenden Personen auf die Rolle beschränkt werden, die ihnen zukommt. Der Konflikt selbst ist in erster Linie Angelegenheit des betroffenen Paares. Sich Rat zu holen, ist gewiss sinnvoll; in erster Linie sollten Sie jedoch auf sich selber hören. Versuchen Sie der Versuchung zu widerstehen, einseitig Verbündete um sich zu scharen und in die Auseinandersetzung einzubauen, da die andere Seite das Gleiche tun wird. Die Gefahr einer Eskalation wächst damit.

5. Kein Patentrezept

Bitte verstehen Sie die Hinweise nicht als kochbuchartige Rezepte. Menschen reagieren in Konfliktsituationen sehr unterschiedlich. Es geht nur um Tipps, Orientierungshilfen, um Vorschläge und Anregungen, die auf Erfahrungen anderer Betroffener beruhen. Was davon Sie versuchen wollen, hängt in erster Linie davon ab, was Sie umzusetzen in der Lage sind.

(02.2011)

Quelle: Heiner Krabbe und Roger Weber