Mieterrechte bei Mangel des Mietobjekts

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Mieterrechte bei Mangel des Mietobjekts

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Wird dem Mieter der vertragsgemässe Gebrauch an der Mietsache nicht gewährt, weicht also der tatsächliche Zustand vom vertragsgemässen ab, liegt ein Mangel der Mietsache vor. Das Gesetz umschreibt den Mangel an der Mietsache als verminderte, beeinträchtigte oder fehlende "Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch". Welche Mieterrechte im konkreten Fall ausgeübt werden können, bestimmt sich danach, ob der Mangel bei Antritt des Mietverhältnisses vorlag oder erst im Verlaufe dessen entstanden ist.

Der Mangelbegriff

Der Mangel ist rechtlich als Fehlen vorausgesetzter oder zugesicherter Eigenschaften umschrieben. Die Abweichung des wirklichen vom vertragsgemässen Zustand lässt sich dabei nach körperlichen, rechtlichen, wirtschaftlichen oder ideellen Kriterien kategorisieren. Zu beachten ist, dass diese Unterscheidungen bloss beschreibenden Charakter haben. Für die Rechtsfolgen bezüglich Mieterrechte ist es also unerheblich, nach welchen Kriterien der IST-Zustand vom SOLL-Zustand abweicht.

Mängel bei Antritt des Mietverhältnisses

Wichtig: Der tatsächliche Zustand des Mietobjekts muss beim Antritt des Mietverhältnisses in allen Teilen dem vertraglich vereinbarten Zustand entsprechen.

Als Gegenpol der Mieterrechte umfasst das Pflichtenheft des Vermieters die Übergabe der Räumlichkeiten in einem gänzlich mängelfreien Zustand. Sämtliche Mängel fallen also zu diesem Zeitpunkt in den Risikobereich des Vermieters. Er ist unter anderem gehalten, auf den Übergabezeitpunkt hin auch die erforderlichen kleinen Reinigungen und Ausbesserungen vorzunehmen (Art. 259 OR) und allfällige während des Vormietverhältnisses verursachte Schäden zu beheben.

Unterschied für Mieterrechte: Mängel während des Mitverhältnisses

Der Vermieter ist verpflichtet, die Geschäftsräume während des ganzen Mietverhältnisses im vertragsgemässen Zustand zu erhalten (Art. 256 Abs. 1 OR). Nicht in den Verantwortungsbereich des Vermieters fallen jedoch die vom Mieter verursachten (und verschuldeten) Mängel (Art. 259a Abs. 1 OR) und kleinen Reinigungen und Ausbesserungen, die nach Antritt des Mietverhältnisses notwendig geworden sind (Art. 259 OR).

Entscheidend für Mieterrechte: Schweregrade von Mängeln

Das Gesetz regelt die Mieterrechte unterschiedlich, je nach Schweregrad des vorliegenden Mangels, bzw. des Ausmasses der Beeinträchtigung des vereinbarten Gebrauchs der Mietsache. Dabei ist zwischen leichten, mittleren und schweren Mängeln zu unterscheiden.

Leichte Mängel: Leichte Mängel sind in der Regel Sachmängel, die den
  Gebrauch der Mietsache als solche nicht oder nur unwesentlich beein-
  trächtigen. Diese Mängel können mit verhältnismässig kleinem Aufwand
  durch Reinigungen oder geringfügige Ausbesserungen behoben werden.
  Es handelt sich somit um Mängel im Sinne von Art. 259 OR, welche die
  Mieterschaft in der Regel im Rahmen des "kleinen Unterhalts" auf eigene
  Kosten zu beseitigen hat.

Mittlere Mängel: Mittlere Mängel liegen vor, wenn die Tauglichkeit zum
  vorausgesetzten Gebrauch der Mietsache zwar möglich, nicht aber aus-
  geschlossen oder in erheblichem Mass beeinträchtigt ist.

  Auf der einen Seite werden diese Mängel gegenüber den leichten Män-
  geln durch die Folge abgegrenzt, dass die Mieterrechte gegenüber dem
  Vermieter hier beginnen. Auf der anderen Seite können diese Mängel
  gegenüber den schweren Mängeln durch die Tatsache abgegrenzt
  werden, dass sie nicht so gravierend sein dürfen, dass der Mieter-
  schaft die Benutzung der Mietsache objektiv nicht mehr zugemutet
  werden kann.

Schwere Mängel: Schwere Mängel sind Mängel, welche der Mieter-
  schaft nach objektiven Gesichtspunkten nicht mehr zugemutet wer-
  den können. Oder nach der Definition des Gesetzes solche, die
  eine Ausübung der Mieterrechte durch Untauglichkeit zum vor-
  ausgesetzten Gebrauch ausschliessen oder erheblich beeinträch-
  tigen. Es muss auch von einem schweren Mangel ausgegangen
  werden, wenn vitale Interessen der Mieterschaft auf dem Spiel
  stehen. Dasselbe gilt, wenn die Mieterschaft wesentliche Teile
  oder wesentliche Vorrichtungen der Mietsache nicht gebrauchen
  kann.

Mieterrechte im Falle eines Mangels

Art. 259a OR regelt die Mieterrechte, sollte die Mietsache nachträglich einen Mangel erleiden. Die in den Artikeln 258 ff. OR getroffene Unterscheidung zwischen Mängeln, welche bei der Übergabe der Sache bestehen, und solchen, die erst im Lauf der Mietdauer auftreten, wird vom Gesetz bis auf zwei Ausnahmen gleich behandelt:

Schwerer Mangel und Mieterrechte

Besteht der schwere Mangel bei Übergabe der Mietsache, kann sich die Mieterschaft, gemäss Art. 258 Abs. 1 OR, auf die Art. 107 bis 109 OR, welche die Rechtsfolgen bei Nichterfüllung von Verträgen regeln, berufen. Übernimmt die Mieterschaft trotz dieser Mängel die Mietsache, bleiben ihr Mieterrechte gemäss Art. 107 bis 109 OR verwehrt. Art. 258 Abs. 2 OR regelt diesen Sachverhalt folgendermassen: Übernimmt der Mieter die Sache trotz dieser Mängel und beharrt er auf gehörige Erfüllung des Vertrags, so kann er nur Ansprüche geltend machen, die ihm bei Entstehung von Mängeln während der Mietdauer zustünden (Art. 259a bis 259i OR).

Leichter Mangel und Bedeutung für Mieterrechte

Besteht ein leichter Mangel bei der Übergabe, so beinhalten die Mieterrechte, dass die Vermieterschaft diesen auf Verlangen zu beheben hat.

Unterscheidung: Anfängliche und nachträgliche Mängel

Im Weiteren wird die Unterscheidung zwischen anfänglich bestehenden Mängeln und solchen, die im Lauf der Mietdauer auftreten, durch Art. 258 Abs. 3 OR relativiert: Der Mieter kann seine Mieterrechte aus Art. 259a bis 259i OR auch geltend machen, wenn die Sache bei der Übergabe Mängel hat, welche gemäss Art. 259a OR die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch zwar vermindern, aber weder ausschliessen, noch erheblich beeinträchtigen und nach Art. 259b OR, die der Mieter während der Mietdauer auf eigene Kosten beseitigen müsste.

Geltendmachung der Mieterrechte - Beweislast

Die Mieterschaft, die gestützt auf Art. 258 ff. OR das Vorliegen von Mängeln geltend macht, hat deren Existenz zu beweisen. Die Beweislast, die der Mieterschaft in diesem Fall obliegt, wird allerdings durch den Untersuchungsgrundsatz gemildert, der im Verfahren vor der Schlichtungsbehörde oder einem Gericht Anwendung findet.

Geltendmachung der Mängel unabhängig vom Verschulden der Vermieterschaft

Wenn sich das Eigentum der Vermieterschaft ohne deren Verschulden verschlechtert, wird sie durch diese Tatsache nicht von ihren mietrechtlichen Pflichten befreit. Denn als Grundsatz im Sachenrecht trägt in erster Linie der Eigentümer den Schaden. Mieterrechte im Zusammenhang mit Mängeln können somit unabhängig vom Verschulden der Vermieterschaft geltend gemacht werden. Diese muss die gerügten Mängel beheben und eventuell eine Mietzinsreduktion akzeptieren oder mit der Hinterlegung von Mietzinsen rechnen. Bei der Frage nach dem Schadenersatzanspruch spielt jedoch das Verschulden der Vermieterschaft eine Rolle. Schadenersatz wird nämlich nur geschuldet, wenn auch ein Verschulden ihrerseits besteht.

Wichtig: Mieterrechte im Falle von Mängeln kumuliert anwendbar

Die in den Art. 259a ff. OR genannten Mieterrechte können kumuliert angewendet werden. Die Mieterschaft kann also beispielsweise gleichzeitig die Behebung der Mängel fordern, ein Begehren um Mietzinsreduktion stellen und die zukünftig anfallenden Mietzinse auf einem Sperrkonto deponieren.

Mieterrechte im Mangelfall lassen sich nicht aufheben oder einschränken

Auf Grund des relativ zwingenden Charakters von Art. 256 OR, der die Unterhaltspflicht der Vermieterschaft zum Inhalt hat, und der ebenfalls relativ zwingenden Normen des Mängelrechts (Art. 258 und Art. 259a bis 259i OR) sind Abreden, welche die Mängelrechte der Mieterschaft einschränken oder aufheben, nichtig; eine Ausweitung der Mieterrechte ist dagegen ohne weiteres möglich. Ist ein Mangel eingetreten, steht es der Mieterschaft selbstverständlich frei, auf die Behebung eines Mangels zu verzichten.

(02.02.2011)