Kommentare zu Europa / Finanzkrise / Italien
Hamburger Abendblatt zur Abwertung Italiens
Ein Kommentar von Oliver Schade
Neue Osnabrücker Zeitung (D) - Schrilles Alarmsignal
Traurig, aber wahr: Die Italiener werden mehr und mehr zu Sorgenkindern der EU und speziell der Euro-Zone. Die Wirtschaft lahmt, das Land ist masslos überschuldet und, was am schwersten wiegt: Italien wird hundsmiserabel regiert. Erst spät, viel zu spät, hat sich die zögerliche und allzu sehr aufs eigene Wohl bedachte Regierung Berlusconi zu Reformen aufgerafft, mit dramatischen Folgen. Die Schulden sind auf 1,9 Billionen Euro gestiegen, fast 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Erlaubt wären nach den EU-Kriterien nur 60 Prozent.
Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit war vor diesem Hintergrund nur eine Frage der Zeit. Doch Berlusconi hat immer noch nicht verstanden. Statt auf die Ratingagenturen zu schimpfen, sollte er deren Kritik annehmen oder, besser noch, endlich fähigeren Politikern das Feld überlassen. Zwar ist Italien weit von einer Zahlungsunfähigkeit entfernt und die Lage in Griechenland ungleich dramatischer. Auch hat die italienische Wirtschaft im Gegensatz zur griechischen ein festes industrielles Fundament. Dennoch ist die Herabstufung Italiens ein schrilles Alarmzeichen. Denn immerhin geht es um die drittgrösste Volkswirtschaft der Euro-Zone. Schon jetzt wird sie durch die Europäische Zentralbank massiv unterstützt. Geht es mit Italien noch weiter bergab, droht dem Euro massiver Schaden.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung - Pure Hilflosigkeit
Kommentar von Stefan Schulte
Wenn Bürger keine schlechten Nachrichten mehr hören wollen, ist das verständlich. Wenn Politiker die Zeichen der Zeit ignorieren, ist das Arbeitsverweigerung.
Während die deutsche Regierung mit sich und Nordeuropa mit Südeuropa ringt, schaffen die Finanzmärkte Fakten. Sie ziehen Geld aus französischen Banken ab. Standard & Poor's stuft die Bonität Italiens herab. Und der Politik fällt nichts weiter ein, als die Ratingagentur zu beschimpfen. Als würde das irgendetwas ändern. Die Hilflosigkeit der Retter ist beängstigend, sie haben offenkundig den Ernst der Lage nicht ansatzweise begriffen. Die Finanzmärkte hätten hier nichts zu sagen - sagte Wirtschaftsminister Rösler unlängst. Wie taub kann man sein?
Die Finanzmärkte handeln derzeit absolut rational. Das einzige, was sie aus Brüssel hören, ist, was alles nicht kommt. Keine Eurobonds, keine Vereinigten Staaten von Europa. Also müssen sie davon ausgehen, dass die Sache aus dem Ruder läuft. Europa ist an dem Punkt, wo es fast egal ist, was man tut - Hauptsache, man tut etwas. Sonst müssen wir nicht nur Griechenland, sondern auch noch Banken retten. Je später, desto mehr Banken werden und desto teurer wird es.
Börsen-Zeitung (D) - Rezessions-Menetekel
Kommentar zur Konjunktur von Stephan Lorz
Zunächst war es nur eine Krise im amerikanischen Hypothekensektor, dann weitete sie sich zur Bankenkrise aus, und zuletzt hatte sich auch die Konjunktur angesteckt. Die Welt stürzte in eine tiefe Rezession. Alle Brandmauern zwischen den Sektoren waren niedergerissen, weil über die Transmissionskanäle der Finanzmärkte - Börsen und Banken - immer mehr Akteure in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das war in den Jahren 2008/2009.
Auch wenn Analysten die gegenwärtige konjunkturelle Situation noch als "Konjunkturschwäche" abtun, die Prognoserevisionen sich in Grenzen halten und Institutionen wie die Deutsche Bundesbank auf Optimismus machen: Die aktuelle Konjunkturlage ähnelt der Entwicklung vor drei Jahren durchaus - und das macht die Situation so brandgefährlich. Zunächst ging es auch hier um ein begrenztes Problem: die Schuldenkrise Griechenlands. Ein Rettungspaket wurde geschnürt. Dann reagierten die Märkte zudem auf die fiskalischen Schieflagen von Irland, Portugal und Spanien. Der Euro-Rettungsfonds für den gesamten Währungsraum wurde auf Kiel gelegt. Ratingagenturen begannen im Wechselspiel mit der Bonitätsherabstufung der angezählten Staaten, was die Lage noch verschlimmerte. Ökonomen, Politiker, Investoren reden von Staatspleiten, von Gläubigerbeteiligung, vom Auseinanderbrechen der Eurozone, vom Ausscheren Deutschlands aus der Euro-Solidarität. Die Schuldenkrise nimmt immer neue Dimensionen an. Kein Szenario wird mehr ausgeschlossen.
Zuletzt konnte sich Deutschland noch davon abschirmen. Die Konjunktur lief glänzend. Doch nun hat sich die Lage gedreht. Die Investoren weltweit haben angesichts neuer Eskalationsstufen - auch Italien und Frankreich gerieten in den Krisensog - dem Währungsraum ihr Vertrauen entzogen. Die Börsenkurse sind eingekracht. Das hat Rückwirkungen auf die Konjunktur: Verunsicherung macht sich breit, Investoren und Konsumenten halten sich zurück. Der IWF spricht von einer "gefährlichen Phase" für die Weltwirtschaft.
Der ZEW-Indikator der Konjunkturerwartungen ist jetzt auf den tiefsten Stand seit Dezember 2008 gefallen! Auch alle anderen Stimmungsindikatoren sind auf dem Weg nach unten. Schafft es die Politik nicht bald, die Menschen von ihrem Krisenbewältigungskonzept zu überzeugen, steht die nächste Rezession bereits vor der Tür. Und die wird angesichts überschuldeter Staaten härter und dramatischer ausfallen als davor. Keiner schert sich dann noch um den Zusammenhalt des Euroraums.
Bild: Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti
(ots, 20.09.2011)
Weshalb diese Kommentare? Hier für Sie eine kurze Zusammenfassung zur Herabstufung Italiens: Am 20.09.2011 hat die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit Italiens aufgrund hohen Schulden, wenig Wachstum und fragile Regierung von „A+“ auf „A“ herabgestuft. Berlusconi protestierte: Die Herabstufung sei ungerechtfertigt und die Bewertung scheine mehr von Medienberichten als von der Realität diktiert worden zu sein, warf er der amerikanischen Ratingagentur vor. Nach der Herabstufung drohen Italien nun höhere Zinsen bei der Aufnahme neuer Kredite. Denn, je schlechter die Kreditwürdigkeit, desto grösser erscheint das Risiko, dass die Gläubiger ihr Geld „verlieren“. Derzeit hat Italien im Verhältnis zu seiner Wirtschaftsleistung den zweithöchsten Schuldenstand in der Eurozone. Für das laufende Jahr prognostiziert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Stagnation der italienischen Wirtschaft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) senkte kürzlich seine Erwartungen betreffend italienischem Wirtschaftswachstum für 2012 von 0,7 auf 0,5 Prozent. |