Sozialhilfe von A bis Z
In der Schweiz gibt es 26 Sozialhilfegesetze - für Laien ein fast undurchdringlicher Dschungel von Regeln und Vorschriften. Das ABC der Sozialhilfe liefert hilfreiche Erklärungen.
Weit über 200'000 Personen in der Schweiz beziehen Leistungen der Sozialhilfe - Tendenz steigend. Zuwachsschätzungen liegen für 2009 zwischen 10 und 20 Prozent; 2010 wird gar ein Anstieg von bis zu 30 Prozent erwartet. Das wird nicht dazu beitragen, dass die Sozialhilfe weniger im Kreuzfeuer steht. So wurde schon behauptet, Sozialarbeiter würden mit betrügerischen Klienten unter einer Decke stecken, und andere monierten, Sozialhilfeempfänger müssten am Hungertuch nagen. Mit plakativen Thesen und fetten Schlagzeilen ist jedoch niemandem geholfen - nur mit sachlichen Informationen. Lesen Sie dazu unser ABC der Sozialhilfe.
A wie AUTO
Sozialhilfebezüger fahren nicht mit dem Mercedes beim Amt vor. Die Sozialhilfe finanziert keine Autos - es sei denn, man ist aus gesundheitlichen Gründen auf das Auto angewiesen oder man ist erwerbstätig und kann den Arbeitsort nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. In einem solchen Fall können Benzin- und Versicherungskosten bezahlt werden.
B wie BESCHWERDE
Sozialhilfebezüger haben Rechte wie alle anderen Bürger, die mit Behörden zu tun haben. Deren Entscheide müssen schriftlich abgegeben werden und können innerhalb der kantonalen Fristen bei einer übergeordneten Behörde oder einer Beschwerdeinstanz angefochten werden. Ein Anwalt ist dazu nicht nötig. Ob sich eine Beschwerde lohnt, können wir in den meisten Fällen beurteilen.
C wie CH-BÜRGER
Anspruchsberechtigte Ausländer sind weder besser- noch schlechter gestellt als Schweizer. Dennoch weisen Ausländer mit sechs Prozent eine deutlich höhere Sozialhilfequote auf als Schweizer Bürger, die in der Statistik drei Prozent ausmachen.
D wie DATENSCHUTZ
Mitarbeitende von Sozialämtern und -behörden haben Schweigepflicht. Mit anderen Amtsstellen (etwa Steueramt oder Polizei) dürfen Daten nur ausgetauscht werden, wenn es im Kanton eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Für Auskünfte von Ärzten, Vermietern oder Schulen ist die Zustimmung des Sozialhilfebezügers nötig.
E wie EXISTENZMINIMUM
In der Schweiz muss niemand betteln. Wer zu wenig oder gar nichts verdient, hat Anspruch auf einen Pauschalbetrag für Essen, Kleider und andere Anschaffungen, den sogenannten Grundbedarf. Für eine alleinstehende Person beträgt dieser in vielen Kantonen 960 Franken (in einigen weniger) und wird je nach Anzahl der unterstützten Haushaltsmitglieder mit einem Multiplikator hochgerechnet. Dazu kommen die Wohnungskosten und die medizinische Grundversorgung. Aus wirtschaftlichen, familiären oder gesundheitlichen Gründen können situationsbedingte Leistungen hinzukommen, etwa Hortkosten oder Wiedereingliederungsmassnahmen.
F wie FERIEN
Wer grosse Eigenleistungen erbringt oder langfristig unterstützt werden muss, soll auch einmal ausspannen dürfen. Ferien und Erholung werden in aller Regel nicht von der Sozialhilfe bezahlt. Private Fonds und Stiftungen übernehmen bisweilen die Kosten.
G wie GRUNDEIGENTUM
Es kommt nicht darauf an, ob man Vermögen im Portemonnaie, als Aktien oder als Grundeigentum hat: Wer Vermögen hat, kann nicht Sozialhilfe beziehen. Ausnahme: Wer günstiger im eigenen Haus als in einer Mietwohnung wohnt, muss sein Haus nicht verkaufen, wenn er eine Grundpfandverschreibung unterzeichnet.
H wie HAUSTIERE
Sozialhilfe sichert nur die Existenz von Personen. Die Kosten für Haustiere sind mit dem Grundbedarf zu bezahlen.
I wie INTEGRATION
Auch von der Sozialhilfe unterstützte Personen sollen am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilnehmen können. In fast allen kantonalen Sozialhilfegesetzen steht denn auch, dass die berufliche und soziale Integration gefördert werden soll. Die Kosten für Sprachunterricht oder berufliche Wiedereingliederung sind deshalb gut investiertes Geld. Wer sich weigert, hat mit Sanktionen zu rechnen (siehe "K").
J wie JUNGE ERWACHSENE
Zwischen vier und fünf Prozent der 18- bis 25-jährigen werden mit Sozialhilfe unterstützt. Zur Risikogruppe gehören Junge ohne Ausbildung und junge Eltern. Massgeschneiderte Massnahmen zur Arbeitsintegration sind für sie nicht freiwillig, sondern Pflicht. Zudem kann verlangt werden, dass sie statt einer eigenen Wohnung ein günstiges WG-Zimmer bewohnen.
K wie KÜRZUNGEN
Wer seinen Pflichten nicht nachkommt, sich nicht um eine Verbesserung seiner Situation bemüht oder mit falschen Angaben operiert, hat mit Leistungskürzungen bis zu 15 Prozent zu rechnen; in Einzelfällen können gar sämtliche Leistungen eingestellt werden. Solche Entscheide sind schriftlich zu begründen und müssen eine Einsprachemöglichkeit enthalten.
L wie LEBENSGEMEINSCHAFT
Wer ohne Trauschein zusammenlebt, ist eigentlich nicht verpflichtet, sich gegenseitig zu unterstützen. Lebt ein Paar jedoch in einem stabilen Konkubinat und wird nur eine Person unterstützt, werden Einkommen und Vermögen des anderen angemessen berücksichtigt.
M wie MISSBRAUCH
Von Missbrauch spricht man, wenn Bereicherungsabsicht und arglistige Täuschung vorliegen. Dies kommt aber weniger oft vor, als uns fette Schlagzeilen glauben machen wollen. Die Missbrauchsquote beträgt ein bis maximal zwei Prozent. Das macht das Ganze freilich nicht besser; Missbrauch muss bekämpft werden.
N wie NOTHILFE
Gemäss unserer Verfassung haben alle Menschen im Land das Recht auf Hilfe, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Auch illegal in der Schweiz anwesende Ausländer bekommen deshalb Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf und medizinische Grundversorgung. Nothilfe ist nicht Sozialhilfe: Nothilfe kann in Form von Naturalleistungen erbracht werden.
O wie ORGANISATION
Wie und ob jemand unterstützt wird, liegt nicht im Ermessen der Sozialarbeiter. Entscheide werden immer von den Behörden gefällt, die sich wiederum an die gesetzlichen Grundlagen zu halten haben.
P wie PFLICHTEN
Die wichtigsten Pflichten eines Sozialhilfebezügers sind Auskunfts- und Mitwirkungspflicht. Ersteres heisst, dass vollständig und wahrheitsgetreu Auskunft gegeben werden muss über Einkommen, Vermögen sowie Arbeits- und Familienverhältnisse. Letzteres bedeutet, dass man alles in seiner Kraft liegende tun muss, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können.
Q wie QUALITÄT
Sozialhilfe muss sich durch hohe Qualität auszeichnen. Das heisst nicht, dass die Unterstützungsbeträge möglichst hoch sein sollen. Die Qualität der Sozialhilfe kann gemessen werden, wenn sie wirksam und wirtschaftlich und im Verhältnis mit den aufgewendeten Mitteln wirkungsvoll ist.
R wie RÜCKERSTATTUNG
Sozialhilfe ist kein Geschenk. Fast alle Kantone verlangen Rückerstattungen aber nur, wenn sich herausstellt, dass der Bezug illegal war oder wenn man nach überstandener Anhängigkeit dank Erbschaft oder Lotteriegewinn zu Vermögen kommt.
S wie SUBSIDIARITÄT
Einer der wichtigsten Begriffe in der Sozialhilfe. Diese wird prinzipiell nur subsidiär ausgerichtet. Das bedeutet, nur wenn man sich nicht selber helfen kann und Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist, gibt es Sozialhilfe. Sämtliche Einkünfte und Vermögen sind als eigener Beitrag ans Existenzminimum anzusehen.
T wie TEUERUNG
Schön wärs! Das Bundesamt für Statistik berechnet zwar seit 1993 Teuerung speziell für die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Die berechneten Zahlen sind aber zu gering und der Aufwand wäre zu hoch, um den Grundbedarf für das kommende Jahr anzuheben.
U wie UNTERHALTSBEITRÄGE
Wer Unterhaltsbeiträge (Alimente) nicht bezahlen kann oder nicht bekommt, erhält diese nicht in Form von Sozialhilfe. Schuldnern werden die Beträge weder bevorschusst noch bezahlt, sie riskieren eine Betreibung. Gläubiger können Alimentenbevorschussung - wobei in der Regel nur die Kinderalimenten - beantragen und müssen die Beträge nicht zurückerstatten.
V wie VERWANDTENUNTERSTÜTZUNG
Wird jemand mit Sozialhilfe unterstützt, werden Angehörige in gerader Linie unterstützungspflichtig, sofern sie in "günstigen Verhältnisse" leben, wie es im Zivilgesetzbuch heisst.
W wie WOHNKOSTEN
Die Grundregel: Die Miete soll maximal ein Drittel des potenziell und realistisch erzielbaren Einkommen kosten. Bewohnt eine Person eine zu teure Wohnung, muss sie eine billigere Lösung finden. Bis dahin werden überhöhte Wohnkosten übernommen.
Z wie ZUWENDUNGEN
Ausser den üblichen Gelegenheitsgeschenken sind alle Zuwendungen Dritter als Einnahmen zu betrachten. Ein Zustupf wird vom berechneten Existenzminimum in Abzug gebracht (siehe "S").
(01.2011)