SECO erhöht Wachstumsprognose für 2012

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Schweizer Konjunktur behauptet sich in schwierigem und risikobehaftetem Umfeld gut

Konjunkturprognosen der Expertengruppe des Bundes – Sommer 2012. Die Schweizer Wirtschaft behauptet sich dank robuster Binnenkonjunktur und relativ widerstandfähiger Exportwirtschaft besser als dies angesichts des starken Frankens und der rezessiven Wirtschaftslage in vielen EU-Ländern zu erwarten war. Für verschiedene Sektoren und viele Exportfirmen bleibt die Situation jedoch angespannt und der Margendruck hoch. Wegen der guten Konjunkturentwicklung im Winterhalbjahr erhöht die Expertengruppe des Bundes die Wachstumsprognose für 2012 von bislang 0,8% auf neu 1,4%. Diese Anpassung darf nicht darüber hinweg täuschen, dass sich das europäische Wirtschaftsumfeld in jüngster Zeit weiter verschlechtertet hat. Für 2013 wird mit einem BIP-Wachstum von 1,5% eine leicht schwächere Konjunkturdynamik als bisher (1,8%) erwartet. Entscheidende Voraussetzung für eine weiterhin positive Konjunkturentwicklung ist, dass eine Eskalation der Staatsschuldenkrise im Euroraum verhindert werden kann.

Internationale Konjunktur

Schwachpunkt der globalen Konjunktur ist der Euroraum, wo sich die im Frühjahr aufgekeimten Hoffnungen auf eine ansatzweise Stabilisierung in den letzten Wochen wieder verflüchtigt haben. Die unklare politische Situation in Griechenland sowie die gravierenden Bankenprobleme in Spanien haben eine neuerliche Verschärfung der Schuldenkrise an den Finanzmärkten ausgelöst; dies belastet das Konjunkturklima im gesamten Euroraum erheblich.

Für die weitere Entwicklung geht die Expertengruppe des Bundes von der Annahme aus, dass eine unkontrollierte Ausbreitung der Krise (vor allem eine Kettenreaktion an den Finanzmärkten mit Ansteckungseffekten auf Bankensysteme und weitere Länder) vermieden werden kann. Aber auch ohne Ausbruch einer derartigen Krise bleiben die europäischen Konjunkturperspektiven sehr gedämpft. Vor allem für die südeuropäischen Länder, die sowohl unter einer rückläufigen privaten Nachfrage als auch den anspruchsvollen fiskalpolitischen Konsolidierungsmassnahmen leiden, ist kein baldiges Ende der Rezession in Sicht. Selbst die robuste deutsche Wirtschaft wird sich von diesem schwierigen Umfeld nicht völlig abkoppeln können. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass Deutschland zwar der Wachstumsmotor des Euroraums bleiben wird, sich die deutsche Konjunktur aber abkühlen dürfte.

Besser als für die EU sind die Konjunkturperspektiven für Asien und die USA, wenngleich auch diese Wirtschaftsräume gegenüber den Problemen im Euroraum wegen der Handels- und Finanzverflechtungen nicht immun sind. Die US-Wirtschaft erholt sich in moderatem Tempo, und der Entschuldungsprozess der privaten Haushalte macht Fortschritte. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen ist allerdings bislang noch kaum angegangen worden.

Die Schwellenländer zeigen alles in allem ein positives Bild. Die Konjunkturabkühlung seit 2011 verlief mehrheitlich mild, und die Wachstumsaussichten sind insbesondere für Asien und Lateinamerika intakt. In China ist die eingetretene Konjunkturverlangsamung wirtschaftspolitisch erwünscht, um Überhitzungserscheinungen wie stark steigenden Immobilienpreisen und kräftiger Kreditausweitung entgegenzuwirken. Offen ist, wie stark sich die chinesische Wirtschaft abkühlt und ob die geplante Umsteuerung auf ein stärker vom privaten Konsum getragenes Wachstum gelingt.

Konjunkturprognose Schweiz

Die Schweizer Wirtschaft verzeichnete im 1. Quartal 2012 ein deutlich positives Wirtschaftswachstum und ist wesentlich besser als befürchtet durch den Winter 2011/2012 gekommen. Diese bemerkenswerte Krisenresistenz ist zu einem erheblichen Teil der anhaltend robusten Konjunktur im Inland zu verdanken. So werden die Bauinvestitionen und die private Konsumnachfrage durch die historisch tiefen Zinsen, die rückläufige Inflation und die wachsende Bevölkerung (infolge der stetigen Zuwanderung) gestützt. Aber auch die Exportwirtschaft schlug sich trotz starkem Franken und rezessiver Wirtschaftslage in vielen EU-Ländern noch verhältnismässig gut, wobei grosse Branchenunterschiede bestehen. Während sich die Uhren- und Pharmaexporte (beide Kategorien zusammen machen mehr als die Hälfte der Warenexporte aus) bislang robust entwickelten, sind die Schwächetendenzen etwa im Tourismus und in der Maschinenindustrie ausgeprägter. Eine Schlüsselrolle spielt die Wechselkursuntergrenze zum Euro, weil dadurch die Währungssituation stabilisiert und für die Unternehmen eine gewisse Planungssicherheit geschaffen wurde, was sich bis jetzt auf die Geschäftslage positiv ausgewirkt hat.

Gleichwohl geht das schwierige aussenwirtschaftliche Umfeld nicht spurlos an der Schweizer Wirtschaft vorüber. Viele (Export)-Firmen mussten im Zuge der Währungsturbulenzen seit 2010 ihre Verkaufspreise zulasten der Margen senken, um trotz Frankenstärke international konkurrenzfähig bleiben zu können. Damit verringern sich die Polster für die Abfederung weiterer negativer Entwicklungen. Von daher ist die Situation im Industriesektor schwierig und die jüngste Verschlechterung in Europa eine ernste Gefährdung für die weitere Entwicklung.

Die Expertengruppe rechnet damit, dass die Konjunkturentwicklung im restlichen Verlauf dieses sowie im kommenden Jahr weiterhin durch eine grosse Heterogenität zwischen gut laufenden Binnensektoren (Bau, konsumnahe Bereiche, inlandorientierte Dienstleistungen) auf der einen Seite und unter erhöhtem Anpassungsdruck stehenden Exportsektoren auf der anderen Seite geprägt bleiben wird. Dies bei einem insgesamt moderaten BIP-Wachstum von 1,4% (bisher 0,8%) 2012 sowie 1,5% (bisher 1,8%) 2013. Die deutliche Prognoserevision nach oben für das laufende Jahr erklärt sich dabei praktisch ausschliesslich aus der über Erwarten positiven Entwicklung im Winterhalbjahr und nicht durch eine optimistischere Einschätzung der konjunkturellen Aussichten.

Die konjunkturelle Widerstandsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft zeigt sich auch am Arbeitsmarkt, der sich nach wie vor in robuster Verfassung präsentiert. Die Beschäftigung nahm über den Winter weiter zu, und die Arbeitslosigkeit stieg in den vergangenen Monaten nur leicht an (Anstieg der saisonbereinigten Arbeitslosenquote seit Herbst 2011 von 3,0% auf 3,1% Ende Mai 2012). Damit verlief die jüngste Arbeitsmarktentwicklung in der Schweiz deutlich besser als in den meisten europäischen Ländern (mit Ausnahme von Deutschland), in denen die Arbeitslosigkeit deutlich steigt. Nach Einschätzung der Expertengruppe könnte die Arbeitslosigkeit allerdings im weiteren Jahresverlauf noch leicht steigen, wobei es insbesondere in Wirtschaftsbereichen mit konjunkturellen oder strukturellen Problemen (wie in Teilen der Exportindustrie, im Tourismus, aber auch im Finanzsektor) noch zu weiteren Entlassungen kommen dürfte. Im Jahresdurchschnitt bedeutet dies Arbeitslosenquoten von 3,2% für 2012 sowie 3,4% für 2013.

Konjunkturrisiken

Das zentrale Konjunkturrisiko ist die Euro-Schuldenkrise. Die positive Wachstumsprognose für die Schweizer Wirtschaft hängt entscheidend an der Annahme, dass es der Wirtschaftspolitik in Europa gelingt, eine unkontrollierte Ausbreitung zu einer grossflächigen Banken- und Finanzkrise zu verhindern. Neben den politischen Unwägbarkeiten in Griechenland, die unter Umständen in einen Staatsbankrott und Austritt Griechenlands aus der Währungsunion münden könnten, stehen derzeit die Bankenprobleme Spaniens im Fokus.

Das Risiko für eine grossflächige europäische Bankenkrise ist schwer abzuschätzen, hätte aber potenziell stark negative Effekte auf die Konjunktur. In einem solchen Fall könnte der gesamte Euroraum eine schwere Rezession erleiden, mit deutlich negativen Ausstrahlungseffekten auf den Rest der Welt. Gerade wegen des potenziellen grossen Schadens einer Eskalation der Schuldenkrise erscheint die Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung relativ begrenzt, da die Wirtschaftspolitik in der EU mit allen Mittel eine unkontrollierbare Entwicklung der Krise vermeiden will.

Anhang:

Ausgewählte Prognoseergebnisse zur schweizerischen Wirtschaft (pdf, 101kb)

(SECO, 12.06.2012)