Schweizer Medikamenten-Margen sind 410 Millionen Franken höher als im Ausland
Der aktuelle santésuisse-Vergleich der Margen für Medikamente zeigt, dass in der Schweiz die Margen um 410 Millionen Franken höher sind als in europäischen Vergleichsländern. Dies entspricht rund zwei Prämienprozenten, welche die Versicherten mehr zahlen. santésuisse fordert Massnahmen, um die Prämienzahler zu entlasten.
Bereits zum zweiten Mal nach 2011 präsentiert santésuisse den Margenvergleich, welcher in diesem Jahr zeigt, dass die Schweizer Handelsmargen im Vergleich mit europäischen Referenzländern um 410 Millionen Franken höher liegen. Verschreibungspflichtige Medikamente belasteten im Jahr 2011 die Prämienzahler in der Grundversicherung mit rund 4,7 Mrd. Schweizer Franken. Davon flossen 1,2 Mrd. Schweizer Franken als Marge an den Handel. 410 Mio. Franken entsprechen 2,1 Prämienprozent zulasten der Prämienzahler.
Vorschlag von santésuisse
Grundsätzlich sollten sich die Margen an den effektiven Kosten im jeweiligen Vertriebskanal orientieren und sich dem Durchschnitt der europäischen Vergleichsländer annähern. Zurzeit erhalten Ärzte, die Medikamente abgeben, zum einen eine Vergütung über den Einzelleistungstarif TARMED, zum anderen über die Handelsmarge bei den Medikamenten. Diese doppelte Vergütung ist ökonomisch nicht begründbar. Die Annäherung der Handelsmargen der Apotheker an das europäische Niveau kann abgefedert werden, indem den Apothekern mehr Leistungen im Rahmen der Grundversicherung übertragen werden, wie etwa die Betreuung chronisch Kranker. Die Margen der verschiedenen Vertriebskanäle müssen einer wirtschaftlichen Leistungserbringung entsprechen. Es wäre wünschenswert, wenn das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die rechtlichen Rahmenbedingungen so anpasst, dass die Tarifpartner entsprechende Verhandlungslösungen vorlegen können.
Der santésuisse-Margenvergleich
Für den Margenvergleich wurden die Referenzländer, auf die sich das Bundesamt für Gesundheit für die Festsetzung der Medikamente stützt, beigezogen (Dänemark, Deutschland, England, Holland, Frankreich und Österreich). In allen Ländern wurde die Marge als Differenz zwischen Fabrikabgabepreis und dem Publikumspreis (Fabrikabgabepreis der Hersteller plus Handelsmarge) ohne Mehrwertsteuer berechnet und um die unterschiedlichen Niveaus der Vergleichsländer bei Löhnen, Mieten, Zinsen und Preisen der Medikamente bereinigt.
santésuisse ist der Branchenverband der schweizerischen Krankenversicherer. Er vertritt die Interessen von über 60 Versicherern mit rund 6,5 Millionen Versicherten. santésuisse setzt sich für ein freiheitliches, soziales und finanzierbares Gesundheitssystem ein, das sich durch einen effizienten Mitteleinsatz und qualitativ gute medizinische Leistungen zu fairen Preisen auszeichnet. |
(Communiqué, 26.10.2012)
Kommentare
comparis.ch zu den Medikamentenpreisen und -margen: Höchstens 14 Prozent teurer als im Ausland Kassen, Pharma, Apotheker, Ärzte und Politik streiten über Medikamentenpreise und Margen. comparis.ch hat bei den Versicherten nachgefragt, denn diese bezahlen die kassenpflichtigen Medikamente. Für die Versicherten ist bei Originalpräparaten im Durchschnitt eine Preisdifferenz im Vergleich zum Ausland von 14 Prozent akzeptabel, bei Generika sind es 10 Prozent. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage von comparis.ch vom Sommer 2012. Am 26.10.2012 hat der Krankenkassen-Branchenverband Santésuisse die jüngsten Ergebnisse des Auslandsvergleichs der Medikamentenmargen veröffentlicht. Santésuisse rechnet vor, dass Herr und Frau Schweizer 410 Millionen Franken mehr Margen bezahlen als im Ausland. Neben den Handelsmargen wird auch über die Fabrikabgabepreise der Medikamente immer wieder heftig diskutiert, insbesondere im Zusammenhang mit dem Euro-Wechselkurs. Ein weiterer Bestandteil des Endpreises der Medikamente sind die Beratungsgebühren. «Für den Versicherten sind die einzelnen Preisfaktoren irrelevant», sagt Felix Schneuwly, Krankenkassen-Experte von comparis.ch. «Entscheidend ist, was der Prämienzahler am Ende total bezahlt.» Die Meinung der Prämienzahler comparis.ch hat diesen Sommer in einer repräsentativen Studie untersucht, was der Versicherte bereit ist, im Vergleich zum Ausland mehr zu bezahlen. Die Untersuchung zeigt: Grundsätzlich haben die Versicherten wenig Verständnis für die Preisunterschiede im Vergleich zum Ausland, akzeptieren aber höhere Preise aufgrund des höheren Preis- und Lohnniveaus in der Schweiz. So wäre es für den Durchschnitt der Befragten vertretbar, für Originalpräparate im Ausland 14 Prozent weniger zu bezahlen als in der Schweiz. Bei Generika wäre eine Differenz von 10 Prozent im Vergleich zum Ausland in Ordnung. Diese Einschätzung bezieht sich jeweils auf den Publikumspreis, also den Preis inklusive Margen und Gebühren. Preise im Interesse der Versicherten aushandeln «Die Resultate zeigen: Der Prämienzahler wünscht sich wesentlich tiefere Preisdifferenzen und zwar beim Publikumspreis», erklärt Schneuwly. In der Schweiz müsse das gesamte System der Festsetzung der Medikamentenpreise überdacht werden, denn aktuell würden die Interessen der Prämienzahler nicht berücksichtigt, sagt der Krankenkassen-Experte. Schneuwlys Vorschlag: Das Bundesamt für Gesundheit sollte nur Höchstpreise und -margen für kassenpflichtige Medikamente festlegen und die Preise von den Akteuren wie Krankenkassen, Herstellern und Handel aushandeln lassen. «Dabei müssten die Krankenkassen zeigen, dass sie wirklich die Interessen der Prämienzahler vertreten können», betont Schneuwly. (Communiqué, 26.10.2012) |
pharmaSuisse – Schweizerischer Apotheker Verband – zu den Medikamentenpreisen und -margen: Sterile Übung von santésuisse mit nicht vergleichbaren Leistungen Mit ihrem am 26.10.2012 veröffentlichten Margenvergleich bei Arzneimitteln überrascht santésuisse niemanden. Dass die Schweiz als Hochpreis- und Hochlohninsel gilt, ist bekannt. Entsprechend den Forderungen von santésuisse müssen sich die Margen an den effektiven Kosten orientieren. pharmaSuisse ist in dieser Hinsicht völlig transparent: Jährlich liefert die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETHZ im Auftrag der Tarifpartner - also einschliesslich santésuisse - die entsprechenden Zahlen. Eine Erkenntnis: die Lohnkosten machen 60% des Bruttoertrags aus. Jede weitere Senkung der Vertriebsmargen ist somit ein direkter Angriff auf das Apothekennetz, gefährdet die Versorgungssicherheit der Bevölkerung und bedroht Arbeitsplätze. Mit ihrer erneuten Kritik an den Vertriebsmargen lenkt santésuisse von den längst bekannten strukturellen Problemen und Fehlanreizen im Gesundheitswesen ab. Der Medikamentenvertrieb über Apotheken inklusive Grossist kostet CHF 8.- Monatsprämie, die Verwaltung durch die Krankenkassen hingegen CHF 13.-. Schon die Administrativkosten für die jährlichen Kassenwechsel betragen bis zu CHF 5.-! Mit der von santésuisse angedachten Kürzung von CHF 160 Mio. wären aber rund 1/3 der Stellen des Apothekenpersonals gefährdet. Eine solche Forderung von santésuisse ist unglaubwürdig. Schade, weil die Rolle der Krankenversicherer im Gesundheitssystem eine wichtige ist. Umdenken bei santésuisse? Trotzdem scheint auch bei santésuisse ein Umdenken zu beginnen: Mit ihrer Kritik am Doppelverdienst der Ärzte an Medikamenten wird der in Teilen der Schweiz praktizierte Medikamentenverkauf durch Ärzte endlich in Frage gestellt. Dieses europaweite Unikum ist ein krasser Fehlanreiz für die Ärzte. pharmaSuisse fordert, dass der Arzt für seine Leistungen in seinem Kernkompetenzbereich korrekt abgegolten wird. Die Medikamentenabgabe gehört aber nicht dazu. Apotheken haben Hausaufgaben gemacht und sind innovativ Die Apotheken haben in den letzten Jahren einen grossen Teil zur Stabilisierung der Gesundheitskosten beigetragen. Seit Einführung der preisunabhängigen Abgeltung (LOA) im Jahr 2001 wurden weder der Taxpunktwert für die Leistungen des Apothekers noch die Vertriebsanteile der Medikamente der Teuerung angepasst, was einer realen Renditesenkung entspricht. 2010 wurde zudem die Marge gekürzt. Als Folge der vom EDI beschlossenen Preissenkungen werden 2012 - 2014 im Arzneimittelvertrieb weitere 52 Mio. Franken Einnahmen verloren gehen. Konstruktive Verhandlungen mit santésuisse um die Kompetenzen und Infrastruktur der Apotheken besser nutzen zu können, laufen seit einigen Jahren und haben bereits konkrete Ergebnisse gebracht. Die Apotheken stehen bereit, in der Grundversorgung der Bevölkerung, wie von santésuisse vorgeschlagen, weitere Aufgaben zu übernehmen. (Communiqué, 26.10.2012) |