Sanierungsdarlehen - Riskante Darlehen bei finanzieller Schieflage

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Sanierungsdarlehen - Riskante Darlehen bei finanzieller Schieflage

Von: Markus Alder/ Michael Hunn / Daniel Küpfer
(Rechtsanwälte bei meyerlustenberger)
Fachgebiet: Kapitalmarktrecht, Banken und Finanzen

Worum geht es

Gerät ein Unternehmen finanziell derart in Schieflage, dass ihm Zahlungsunfähigkeit und Zwangsvollstreckung drohen, kann die Aufnahme eines Überbrückungskredits ein wirksames Mittel darstellen, um die zur Aufrechterhaltung des Betriebes dringend benötigte Liquidität sicherzustellen. Ein solches Darlehen allein reicht freilich nicht zur Sanierung der Gesellschaft aus. Immerhin verschafft es dem Unternehmen eine «Verschnaufpause» und ermöglicht die Ablösung anderer Fremdkapitalgeber. Häufig bildet es auch einen notwendigen Beitrag seitens der Eigentümer oder bestehender Kreditgeber, ohne den übrige Gläubiger nicht zu Konzessionen bereit sind. Das Gelingen der Unternehmenssanierung kann daher von der Gewährung sog. Sanierungsdarlehen abhängen.

Damoklesschwert Absichtspauliana

Ein potentieller Darlehensgeber wird sein Kapital einer finanziell angeschlagenen Gesellschaft nur dann zur Verfügung stellen, wenn er mit dessen Rückzahlung rechnen kann. Sollte der Schuldner jedoch später trotz aller Sanierungsbemühungen in Konkurs geraten, droht dem Darlehensgeber je nach Zeitpunkt der Darlehensgewährung und -rückzahlung eine Anfechtung durch die übrigen Gläubiger oder den Konkursverwalter. Mit der in Art. 288 SchKG statuierten «Absichtspauliana» können im Konkursfall nämlich Rechtshandlungen, welche ein Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder der Konkurseröffnung vorgenommen hat, angefochten werden.

Rechtsprechung des Bundesgerichts

In BGE 134 III 452 (Nachlassverwalter SAirGroup gegen ZKB) hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung im Zusammenhang mit Art. 288 SchKG bestätigt. Für die erfolgreiche Anfechtung einer Rechtshandlung müssen kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Es muss eine Gläubigerschädigung durch Vermögensverminderung beim Schuldner zum Nachteil eines oder mehrerer Gläubiger ohne Konkursprivileg eingetreten sein;
  2. Der Schuldner muss mit Schädigungsabsicht gehandelt haben;
  3. Für den Dritten muss erkennbar gewesen sein, dass die Handlung in der Absicht des Schuldners erfolgte, einzelne Gläubiger zu schädigen resp. andere zu begünstigen.

Eine Schädigung der Gläubiger tritt nach Ansicht des Bundesgerichts in der Regel dann nicht ein, wenn die angefochtene Rechtshandlung im Austausch gleichwertiger Leistungen erfolgte. Die Rückzahlung eines Darlehens sei jedoch regelmässig keine gleichwertige Leistung, sondern erfolgt in Erfüllung einer Vertragspflicht. Die Rückzahlung eines Darlehens schädige deshalb die übrigen Gläubiger in ebensolchem Umfang. Die Schädigungsabsicht bejaht das Bundesgericht dann, wenn der Schuldner hätte voraussehen können und müssen, dass die fragliche Rechtshandlung Gläubiger schädigt oder gewisse Gläubiger zum Nachteil anderer begünstigt, wobei Eventualvorsatz genügt. Ob die Absicht des Schuldners für den Dritten bekannt oder erkennbar war, hängt nach Ansicht des Bundesgerichts schliesslich davon ab, ob in der konkreten Situation die gebotene Aufmerksamkeit aufgewendet wurde, die Gläubigerschädigung als natürliche Folge der angefochtenen Handlung vorauszusehen. In Würdigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls ist bei Anwendung eines objektiven Massstabs zu beurteilen, ob der Darlehensgeber bei der Rückzahlung des Darlehens die Schädigungsabsicht des Schuldners wirklich erkannt hat oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können und müssen.

Sind sämtliche Voraussetzungen gemäss Art. 288 SchKG erfüllt, wird die Anfechtungsklage erfolgreich sein. Der Darlehensgeber wird das zurückerhaltene Darlehen an die Konkursmasse herausgeben und sich mit der Konkursdividende begnügen müssen.

Konsequenz der bundesgerichtlichen Rechtssprechung ist, dass Gläubiger von Sanierungsdarlehen einem hohen Risiko, nämlich dem des Totalverlusts ihres eingesetzten Kapitals, ausgesetzt sind. Dies steht der Überlegung entgegen, dass Massnahmen zur Rettung des Schuldners regelmässig im Interesse aller Gläubigern liegen. In diesem Kontext hat das Bundesgericht bereits früher erkannt, dass an sich anfechtbare Rechtshandlungen dann der Anfechtung nicht zugänglich sind, wenn sie mit dem Zweck, den Schuldner vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren, unternommen wurden und dabei nicht bloss unsichere Hoffnungen auf eine Beseitigung der Konkursgefahr bestanden hätten. Demzufolge muss es erlaubt sein, dem Schuldner «aus der Klemme» zu helfen, wenn diese Hilfe eine ernsthafte Aussicht auf Erfolg verspricht.

Anfechtungsresistenz von «Sanierungsdarlehen»

Als Sanierungsdarlehen werden kurzfristig gewährte Darlehen zum Zweck der finanziellen Genesung eines Unternehmens bezeichnet. Dabei muss eine Sanierung objektiv möglich sein, d.h. es muss Hoffnung auf eine Überwindung der Liquiditätskrise und auf Gelingen der Sanierung bestehen. Bei Aussichtslosigkeit der finanziellen Situation des Schuldners kommen Sanierungsdarlehen nicht in Frage. Vor der Darlehensgewährung hat deshalb eine vertiefte Prüfung der finanziellen Situation des Schuldners zu erfolgen. Weiter wird von einem Sanierungsdarlehen verlangt, dass sein Umfang den tatsächlichen Bedürfnissen des Darlehensnehmers gerecht wird und damit effektiv geeignet ist, den Sanierungszweck zu erreichen. Nur dann liegt zutreffenderweise ein Sanierungsdarlehen vor, welches zu einem angemessenen Zinssatz verzinst werden muss.

Um nicht in die Fänge der Anfechtungspauliana zu geraten, müssen ferner berechtigte Hoffnungen bestehen, welche die Wahrscheinlichkeit einer günstigen Prognose hinsichtlich der Vermögensentwicklung des Schuldners eindeutig rechtfertigen. Die finanzielle Situation des Schuldners darf also nicht von Beginn weg als aussichtslos erscheinen. Zudem darf seit der Darlehensgewährung keine erhebliche Verschlechterung eingetreten sein. Andernfalls können Darlehensgewährung und Rückzahlung nicht als Einheit qualifiziert werden.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erfolgt nach Ansicht des Bundesgerichts die Darlehensgewährung nicht nur im Interesse des Darlehensgebers, sondern im Interesse aller Gläubiger. Die besonderen Umstände, unter welchen die Rückzahlungspflicht entstanden ist, sind daher entsprechend zu berücksichtigen mit der Folge, dass die Benachteiligungs- bzw. Begünstigungsabsicht auf Seiten des Schuldners und ihre Erkennbarkeit für den Dritten zu verneinen ist. Eine Absichtsanfechtung nach Art. 288 SchKG im Konkurs des Schuldners ist bei «echten» Sanierungsdarlehen deshalb ausgeschlossen.

Fazit und Empfehlungen

Bei der Vergabe von Darlehen an Gesellschaften in prekärer Finanzlage ist Vorsicht geboten. Sie sollte nur bei ernsthaftem Interesse an einer Sanierung des Borgers erfolgen. Sanierungsdarlehen sind im Vertrag als solche zu bezeichnen. Allfällige Besicherungen sind von Beginn an zu vereinbaren. Vor der Darlehensgewährung hat zwingend eine Prüfung der Zahlungsfähigkeit zu erfolgen.

Auch die regelmässige Verfolgung der finanziellen Situation des Darlehensnehmers ist dringend angezeigt. Schreibt der Borger massive Verluste, fehlt ihm Liquidität oder ist er gänzlich fremdfinanziert, beginnt er mit dem Verkauf von Konzerngesellschaften oder Unternehmensanteilen, so bedarf es erhöhter Aufmerksamkeit. Das Gleiche gilt auch bei der Publikation finanzieller Schwierigkeiten durch die Medien.

In jedem Fall empfiehlt es sich, vor der Kreditvergabe einen Sachverständigen beizuziehen.

© meyerlustenberger

Eine Abhandlung über das Sanierungsdarlehen mit Hinweisen und über BGE 134 III 452, herausgegeben von Prof. Dr. Susan Emmenegger, Institut für Bankenrecht, Universität Bern (Schweizerische Bankrechtstagung 2010; Kreditrecht) können Sie hier herunterladen:

Das Sanierungsdarlehen

Quelle: Universität Bern

(19.06.2011)