Massenentlassung - Ein chronologischer Überblick
Von: Thomas Kälin
(Rechtsanwalt bei meyerlustenberger)
Fachgebiet: Arbeitsrecht und Sozialversicherungen
Für eine gesetzeskonforme Durchführung des Verfahrens sind genaue Gesetzeskenntnis und eine gute Vorbereitung unerlässlich. In der vorliegenden Zusammenfassung des gleichnamigen Aufsatzes von Thomas Kälin und Kerstin Kirchhoff wird die chronologische Vorgehensweise bei Beabsichtigung einer Massenentlassung in einem Kurzüberblick dargestellt.
1. Einleitung
Die korrekte Durchführung des Verfahrens erweist sich trotz des vermeintlich klaren Ablaufs oft als schwierig. Juristische, faktische und emotionale Komponenten können im ansonsten schon unliebsamen Verfahren immer wieder neue Stolpersteine hervorbringen. Nahezu bei jedem Verfahrensschritt können Fehler begangen werden, welche für den Arbeitgeber finanzielle Pflichten auslösen.
Sowohl der Arbeitnehmerschaft wie auch der Arbeitgeberschaft ist gedient, das Massenentlassungsverfahren von Beginn weg gut vorzubereiten und gesetzesgetreu durchzuführen. Eine Verletzung des Verfahrens führt zur Missbräuchlichkeit der ausgesprochenen Kündigungen, was eine Strafzahlung nach sich zieht.
2. Ablauf und Durchführung des Massenentlassungsverfahrens
a) Konkrete Absicht einer Massenentlassung
Als Massenentlassung gilt eine bestimmte, nach Grösse eines Betriebes abgestufte Anzahl Kündigungen, die die Arbeitgeberin innert 30 Tagen in einem Betrieb aus Gründen ausspricht, die in keinem Zusammenhang mit der Person des Arbeitnehmers stehen.
Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine Massenentlassung vorzunehmen, hat er die Verfahrensbestimmungen in zeitlich korrekter Abfolge zu beachten.
b) Mindestinformationen an die Arbeitnehmerschaft
Vor Beginn des Konsultationsverfahrens muss der Arbeitgeber der Arbeitnehmerschaft zumindest die vorgeschriebenen Informationen schriftlich mitteilen. Somit ist der Arbeitnehmerschaft eine Übersicht zu verschaffen über die Gründe der Massenentlassung, die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer, die Zahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer sowie den Zeitraum, innert welchem die Kündigungen ausgesprochen werden sollen.
c) Kopie der Mitteilung an das kantonale Arbeitsamt
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitsamt eine Kopie der Mitteilung zuzustellen.
d) Konsultationsverfahren
Die Arbeitnehmerschaft muss die Gelegenheit erhalten, Vorschläge zu unterbreiten, wie die in Aussicht gestellten Kündigungen vermieden oder zumindest deren Anzahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können.
Das Konsultationsverfahren muss den beabsichtigten Entlassungen zeitlich soweit vorgelagert werden, dass die Arbeitnehmerschaft die reelle Möglichkeit hat, auf die Entscheidfindung des Arbeitgebers einzuwirken und Alternativen zur Abwendung einer Massenentlassung vorzubringen.
e) Prüfung der Vorschläge der Arbeitnehmerschaft / Entscheidfindung
Der Arbeitgeber muss die Vorschläge der Arbeitnehmerschaft prüfen und sich mit ihnen ernsthaft auseinandersetzen.
f) Mitteilung an die Arbeitnehmerschaft
Sind die Vorschläge geprüft und der Entscheid gefällt, so teilt der Arbeitgeber der Arbeitnehmerschaft die Ergebnisse der Konsultation mit.
g) Anzeige an das Arbeitsamt
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem kantonalen Arbeitsamt jede beabsichtigte Massenentlassung schriftlich anzuzeigen. Die Arbeitnehmerschaft ist mittels Zustellung einer Kopie dieser Anzeige darüber zu orientieren.
Das Arbeitsamt wird darum bemüht sein, offene Stellen mit den Profilen der entlassenen Arbeitnehmer zu vergleichen, um zu sehen, für welche Gruppen von Arbeitnehmern sich besondere Engpässe ergeben könnten und die Überbrückung derselben zu planen.
h) Aussprechen von nicht vermeidbaren Kündigungen
Nach durchgeführter Konsultation und Anzeige an das Arbeitsamt steht es dem Arbeitgeber frei, Kündigungen auszusprechen. Der Arbeitgeber hat sich dabei an die zu Beginn des Verfahrens mitgeteilte Maximalanzahl von Kündigungen zu halten. Übersteigt die Anzahl der nach der Konsultation ausgesprochenen Kündigungen die der Arbeitnehmerschaft und dem Arbeitsamt mitgeteilte Zahl, ist für die zusätzlichen Kündigungen das Verfahren nicht mehr eingehalten, und es sind neue Konsultationen vorzunehmen.
Selbstverständlich steht es dem Arbeitgeber frei – dies ist ja gerade ein Ziel des Massenentlassungsverfahrens – weniger Kündigungen auszusprechen als zunächst beabsichtigt.
i) Ablauf der Kündigungsfristen
Ein Arbeitsverhältnis, welches im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt worden ist, kann frühestens 30 Tage nach erfolgter Anzeige an das Arbeitsamt enden. Vertraglich vereinbarte oder gesetzlich vorgesehene längere Kündigungsfristen sind natürlich einzuhalten.
3. Folgen der Verletzung des Verfahrens
Spricht der Arbeitgeber Kündigungen aus, nachdem er Verfahrensbestimmungen verletzt hat, gelten die Kündigungen als missbräuchlich. Die missbräuchliche Kündigung ist gültig, doch ist der gekündigten Partei eine Entschädigung, eine Strafzahlung, auszurichten.
Dieser Überblick basiert auf dem Aufsatz:
Thomas Kälin / Kerstin Kirchhoff,
Massenentlassung – Ein chronologischer Überblick
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(13.06.2011)