Krankheit im Arbeitszeugnis erwähnen?
Eigentlich sind die Gebote der Wahrheit, Klarheit und Vollständigkeit als Haupterfordernisse selbstverständlich.
Auch das Zeitalter der Codierungen (verschlüsselte Formulierungen) neigt sich glücklicherweise dem Ende zu. Der Knackpunkt liegt woanders: Muss eine Krankheit unter dem Gesichtspunkt einer wohlwollenden Formulierung im Arbeitszeugnis nicht erwähnt werden? Ja, sie muss es, wenn sie sich über eine längere Zeitspanne erstreckt; dies hält ein kürzlich veröffentliches Bundesgerichtsurteil unmissverständlich fest.
Die Entwicklung einer - nicht x-beliebigen - Krankheit im Arbeitszeugnis gehört zu den Erfordernissen der Wahrheit, Klarheit und Vollständigkeit. Das Bundesgericht hat dazu kürzlich einen wegweisenden Entscheid gefällt.
Bundesgerichtentscheid: Krankheit mit grossem Einfluss auf Leistung und Verhalten
Im Arbeitszeugnis darf und muss eine Krankheit erwähnt werden, die einen starken Einfluss auf Leistung oder Verhalten des Mitarbeiters hatte. Bemerkungen zu geheilten Gesundheitsproblemen, die keine Auswirkungen hatten, sind laut Bundesgericht dagegen verboten.
Der Fall betrifft einen früheren Regionalsekretär der Gewerkschaft SYNA. Das Solothurner Obergericht hatte die SYNA im Februar 2010 ermächtigt, im Arbeitszeugnis zu erwähnen, dass der Mann seit August 2007 bis zu seiner Entlassung im Januar 2009 wegen gesundheitlichen Problemen arbeitsunfähig gewesen sei.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Mannes nun abgewiesen. Laut den Richtern in Lausanne war die SYNA gehalten, die Krankheit im Arbeitszeugnis festzuhalten. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis dürfe und müsse auch negative Tatsachen erwähnen, soweit dies für die Gesamtbeurteilung der Leistung notwendig sei.
Längere krankheitsbedingte Arbeitsunterbrüche
Eine Krankheit könne einen bedeutenden Einfluss sowohl auf Leistungen als auch auf das Verhalten ausüben. Das Gleiche würde für gesundheitliche Beeinträchtigungen gelten, welche die Befähigung zur Erfüllung der Anforderungen an den betreffenden Job in Frage stellen und deshalb einen objektiven Grund für eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses bilden würden - so die ergänzende Argumentation des Bundesgerichts.
Im Weiteren seien länger andauernde Krankheitsabsenzen, die im Verhältnis zur gesamten Anstellungsdauer ins Gewicht fallen würden, im Zeugnis zu erwähnen. Wenn solche Arbeitsunterbrüche nicht vermerkt würden, könnte zum Beispiel ein falsches Bild über die tatsächlich erworbene Berufspraxis und -erfahrung entstehen.
Gemäss dem Urteil aus Lausanne darf ein Arbeitszeugnis keine Angaben zu geheilten Krankheiten enthalten, welche die Beurteilung der Leistung oder des Verhaltens des Betroffenen nicht beeinträchtigen (Urteil 4A_187/2010 vom 06.09.2010; BGE-Publikation).
Fazit für Verfasser von Arbeitszeugnissen
Klarheit, Wahrheit und Vollständigkeit stehen vor wohlwollender Formulierung. Somit: Keine Worthülsen oder Floskeln (auch Codes genannt) zur Umgehung negativer Tatsachen.
Sondern: Konkreter Hinweis auf eine Krankheit mit starkem Einfluss auf Engagement und Leistung sowie auf längere krankheitsbedingte Arbeitsunterbrüche, welche im Verhältnis zur Anstellungsdauer ins Gewicht fallen.