Kritik am Bundesgerichtsurteil zur Herausgabe von UBS-Kontodaten
Der Rechtsprofessor Peter Kunz übt scharfe Kritik am Bundesgericht, das die Herausgabe der Daten von 255 UBS-Konteninhabern als legal bezeichnet hat. Das Urteil schaffe ein gefährliches Präjudiz, sagte Kunz.
Der Berner Rechtsprofessor Peter Kunz kritisiert das Bundesgericht scharf, weil es die notfallmässige Herausgabe von UBS-Kundendaten in die USA nachträglich guthiess. In einem neuen Krisenfall kann das Urteil aus Kunz' Sicht als Beispiel dienen.
Das Urteil des Bundesgerichts vom 15.07.2011 schaffe ein gefährliches Präjudiz, sagte Kunz in einem Interview, das in der «Neuen Luzerner Zeitung» erschien. Ausländische Behörden könnten daraus den Schluss ziehen, dass sie nur genügend Druck auf die Schweiz ausüben müssten, um von ihr etwas zu erhalten.
Auch im Inland setze das Urteil ein schlechtes Zeichen für die Bürgerinnen und Bürger: «Die Kleinen hängt man auf, und die Grossbanken werden von den Behörden sogar ohne rechtliche Grundlage unterstützt.»
Standards gesenkt
Der Rechtsprofessor der Universität Bern kritisiert vor allem, dass das Bundesgericht die polizeiliche Generalklausel als korrekte Grundlage ansah für die Herausgabe von UBS-Kontendaten von 255 US-Kunden im Februar 2009 durch die Finanzmarktaufsicht (Finma). «Die Standards für Notrecht sind gesenkt worden.»
Kunz bezweifelt nämlich, dass die USA die UBS wie angedroht in den Konkurs getrieben hätten. Die USA habe geblufft: «Die Amerikaner waren sich bewusst, dass dies fürs Finanzsystem noch schlimmere Folgen als die Lehman-Pleite hätte haben können.» Damit habe nach bisheriger Auffassung keine Notrechtssituation vorgelegen. Zudem sei Notrecht dem Bundesrat und dem Parlament vorbehalten.
Dass sich die Finanzmarktaufsicht überhaupt auf das Glatteis des Notrechts wagen musste, lastet Kunz der Landesregierung an. Beim Bundesrat habe der «Ausgangsfehler» gelegen: «Dadurch, dass er nicht die Verantwortung für den Entscheid übernommen hat, hat er der Aushöhlung des Rechtsstaates Vorschub geleistet.»
(16.07.2011)
Siehe auch:
• BGE: Herausgabe der Daten an die USA rechtmässig
• Kaum Chancen für Schadenersatzklagen gegen die Schweiz