Gesetzesänderungen 2011: Was ist zu beachten
Erhebliche Änderungen und Neuerungen für Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen
Auf den 1. Januar 2011 sind verschiedene Bundesgesetze aber auch kantonale Bestimmungen in Kraft gesetzt worden, die nicht nur für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sondern auch für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen erhebliche Änderungen und Neuerungen bringen. Nachfolgend sind die wichtigsten aufgeführt.
Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO)
Bisher war die Gerichtsbarkeit der kantonalen Instanzen Sache der einzelnen Kantone. Einzig Art. 343 OR enthielt für arbeitsrechtliche Streitigkeiten einige eidgenössische prozessuale Bestimmungen, die von den Kantonen zu befolgen waren.
Am 1. Januar 2011 trat nun die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) in Kraft. Sie gilt für die ganze Schweiz und ersetzt in weiten Teilen die verschiedenen kantonalen Prozessbestimmungen. Soweit die ZPO keine Vorschriften enthält, ist die Organisation der Gerichte und Schlichtungsbehörden weiterhin Sache der Kantone.
Die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte sind - mit Ausnahme des Gerichtsstands am Entsendeort - für arbeitsrechtliche Streitigkeiten unverändert übernommen worden. Das bisherige Gerichtsstandsgesetz (GestG) ist aufgehoben worden. Ebenfalls in die ZPO eingegliedert wurden die Bestimmungen über die Schiedsgerichtsbarkeit, womit das diesbezügliche Konkordat hinfällig geworden ist.
Die wichtigsten Neuerungen sind:
Instanzenzug
Es gibt in jedem Kanton neu nur noch eine obere Rechtsmittelinstanz.
Schlichtungsverfahren
Abgesehen von wenigen Ausnahmen geht jedem Entscheidverfahren vor Gericht ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde voraus.
Entscheidverfahren
Bei Streitigkeiten nach dem Mitwirkungs- oder Gleichstellungsgesetz und in den übrigen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 30'000.-- kommt grundsätzlich das vereinfachte Verfahren zur Anwendung. Dabei handelt es sich um ein abgekürztes Verfahren und der Sachverhalt wird von Amtes wegen festgestellt. Das Verfahren ist (nur) vor den kantonalen Instanzen kostenlos; Prozessentschädigungen können dennoch zugesprochen werden.
Dem ordentlichen Verfahren geht ein Schriftwechsel voraus; eine mündliche Verhandlung findet nur soweit nötig statt. Die Begründungen und Bestreitungen sowie die Beweismittel sind neu schon zu Beginn des Verfahrens möglichst vollständig einzureichen. Ein Novenrecht ist nur noch beschränkt vorhanden.
Kostenvorschuss
Eine der einschneidensten Neuerungen ist der Kostenvorschuss. In kostenpflichtigen Prozessen kann das Gericht für die mutmasslichen Gerichtskosten von der klagenden Partei einen Kostenvorschuss verlangen. Unter gewissen Umständen hat die klagende Partei zudem Sicherheit für die Parteientschädigung zu leisten. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens werden die Gerichtskosten mit dem Vorschuss verrechnet; nur wenn dieser nicht ausreicht, zieht das Gericht den Rest bei der kostenpflichtigen Partei ein. Es liegt dann an der klagenden Partei, selbst wenn sie obsiegt hat, den Anteil der beklagten Partei bei dieser einzuziehen. Zusammengefasst bedeutet das, die klagende Partei trägt nicht das Risiko, den Prozess zu verlieren; sie trägt auch noch das volle Gerichtskostenrisiko.
Rechtsmittel
Kantonale Rechtsmittel sind die Berufung und die Beschwerde. Daneben gibt es noch die Revision sowie die Erläuterung und Berichtigung.
Elektronische Übermittlung im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen sowie SchKG-Verfahren
Diese Verordnung (SR 272.1) regelt die Modalitäten des elektronischen Verkehrs zwischen den Verfahrensbeteiligten und den Behörden im Rahmen von Verfahren, auf welche die ZPO, das SchKG oder die StPO Anwendung findet.
NAV Hauswirtschaft
Am 1. Januar 2011 ist der bundesrechtliche Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft (NAV Hauswirtschaft; SR 221.329.4) in Kraft getreten. Er gilt - mit wenigen Ausnahmen - für alle Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitnehmenden, die hauswirtschaftliche Tätigkeiten in einem Privathaushalt verrichten, und ihren Arbeitgebern, solange nicht noch ein kantonaler NAV in Kraft ist. Zu beachten ist, dass dieser NAV neu Mindestlöhne enthält.
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (SchKG)
Konkursprivileg für Arbeitnehmende
Neu fallen folgende Arbeitnehmerforderungen in die Erste Klasse gemäss Art. 219 Abs. 4 SchKG:
• Arbeitnehmerforderungen aus dem Arbeitsverhältnis, die nicht früher als
sechs Monate vor der Konkurseröffnung entstanden oder fällig geworden
sind, höchstens jedoch bis zum Betrag des gemäss UVG maximal ver-
sicherten Jahresverdienstes.
• Rückforderungen von Arbeitnehmern betreffend Kautionen.
• Forderungen von Arbeitnehmern aus Sozialpläne, die nicht früher als
sechs Monate vor der Konkurseröffnung entstanden oder fällig geworden
sind.
Arrest
Vermögensstücke des Schuldners können nur arrestiert werden, wenn sich diese in der Schweiz befinden. Neu stellt ein definitiver Rechtsöffnungstitel auch einen Arrestgrund dar (Art. 271 SchKG). Neu kann nicht nur das Gericht am Ort, wo sich die Vermögensgegenstände befinden, einen Arrestbefehl bewilligen, sondern auch das Gericht am Betreibungsort mit Wirkung für die ganze Schweiz (Art. 272 SchKG).
Mehrwertsteuer
Die Mehrwertsteuersätze sind angehoben worden. Neu beträgt der Normalsatz 8 % (bisher 7,6 %) und der reduzierte Satz 2,5 % (bisher 2,4 %). Der Sondersatz für Beherbergungsleistungen beträgt neu 3,8 % (bisher 3,6 %).
Sozialversicherungsbeiträge
Für AHV/IV/EO sind neu 10,3 % (bisher 10,1 %) abzuliefern. Die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung sind ebenfalls erhöht worden. Bis zu einer Höchstgrenze des Einkommens von CHF 126'000.-- pro Jahr beträgt der Beitragssatz neu 2,2 % (bisher 2 %). Übersteigt das Einkommen diesen Betrag, ist bis zu einer Höchstgrenze von CHF 315'000.-- ein weiteres Prozent abzuliefern (bisher 0 %).
Strafrecht
Ebenfalls auf den 1. Januar 2011 ist die bundesrechtliche Strafprozessordnung (StPO) in Kraft gesetzt worden, welche die kantonalen Vorschriften mehrheitlich ersetzt. Dieses Gesetz regelt die Verfolgung und Beurteilung der Straftaten nach Bundesrecht durch die Strafbehörden des Bundes und der Kantone. Auch hier ist nur noch eine kantonale Rechtsmittelinstanz vorgesehen. Rechtsmittel sind die Beschwerde und die Berufung. Das Strafgesetzbuch (StGB) hat ebenfalls einige Änderungen erfahren.
(19.01.2011)