Eine "Brandmauer von mindestens 1000 Milliarden Euro"

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OECD-Generalsekretär Angel Gurria: «Brandmauer von mindestens 1000 Milliarden Euro»

Der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Angel Gurria, warnt nach der Rettung Griechenlands vor falschen Hoffnungen: «Die Euro-Länder sind noch längst nicht über dem Berg», sagt er im Interview mit der «Handelszeitung». Spanien und Portugal könnten schon bald die nächsten Opfer der Finanzmärkte sein. «Jetzt ist allen klar, dass die Finanzmärkte die schwachen Euro-Staaten angreifen.»

Deshalb gibt es für Gurria nur eine Lösung. «Wir müssen die Mutter aller Brandmauern bauen. Je dicker und eindrucksvoller sie ist, desto weniger wahrscheinlich werden wir sie brauchen.» Laut dem OECD-Generalsekretär muss ein angemessener finanzieller Stabilisierungsfonds «mindestens 1000 Milliarden Euro schwer sein». Die EU-Staaten dürften nicht mehr länger zuwarten. Die Finanzmärkte nützten Zögerlichkeit und Unsicherheit aus. «Eine Brandmauer wäre aber ein Signal, eine klare Botschaft an die Finanzmärkte und die Welt. Und sie dämmt die Gefahr einer weiteren Ansteckung ein.»

Gurria, der die Schweiz vor drei Jahren als Steueroase brandmarkte, will ausserdem seinen Kampf gegen die weltweite Steuerhinterziehung weiterführen. «Die Botschaft ist klar, es wird auf dieser Welt keinen Ort mehr geben, wo man Gelder verstecken kann.» Mittlerweile hätten sich im Global Tax Forum 107 Länder bereit erklärt, Informationen bei konkretem Verdacht auf Steuerhinterziehung auszutauschen. Artikel 26 des OECD-Musterabkommens sei heute der internationale Standard.

Auf die Frage, ob die OECD Steueroasen wie die Kanalinseln, die karibischen Inseln oder die USA wegen Nevada, Delaware oder Wyoming auf eine graue oder schwarze Liste setzen werde wie seinerzeit die Schweiz, antwortet Gurria: «Es gibt heute kein einziges Land mehr auf dieser Welt, das sich den Luxus leisten kann, diesen Prozess nicht zu unterstützen. Jene Staaten, die heute noch Ausnahmen machen und gewisse Steuerhinterziehungspraktiken zulassen, werden bald das Nachsehen haben. Sie werden von der Realität eingeholt.» Damit das Bekenntnis der Staaten zum OECD-Musterabkommen nicht bloss ein Lippenbekenntnis bleibe, überprüfe die Organisation in Quervergleichen, ob die Unterzeichner die Kriterien auch wirklich einhielten. Die Resultate würden veröffentlicht. «Was hier wirkt, ist Gruppenzwang», so Gurria.

Während die Europäische Union einen Schritt weiter geht und den automatischen Informationsaustausch will, hat Gurria diesen nicht auf seiner Agenda - obschon er einräumt: «Das wäre sicher der letzte, der endgültige Grad der internationalen Zusammenarbeit.» In Europa gebe es zwei Dutzend Staaten, die dazu bereit seien. In der Welt gebe es Dutzende anderer Staaten, die dieses Modell nicht einführen wollten. «Mein Eindruck ist, dass die Regierungen aus politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen diesen Weg beschreiten werden», so Gurria. Grund seien die niedrigen Wachstumsraten, die hohen Arbeitslosenzahlen und die wachsenden Ungleichheiten, die den diesbezüglichen Druck auf die Regierungen erhöhten.

(ots, 21.03.2012)