Die Besteuerung von stillen Reserven

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Die Besteuerung von stillen Reserven

altWerden stille Reserven gebildet, führt das zu einer Minderung des buchmässigen Gewinnes und damit zu einem Aufschub der Besteuerung. Die Auflösung der stillen Reserven hat dann die Rückführung des in Form der stillen Reserven gebundenen wirtschaftlichen Gewinnes früherer Geschäftsjahre in den buchmässigen Gewinn des laufenden Geschäftsjahres zur Folge. Die Konsequenz ist, dass aufgelöste stille Reserven damit der Besteuerung zugeführt werden.

Realisierungstatbestände der stillen Reserven

Ein allgemeiner Realisierungsbegriff von stillen Reserven fehlt. Die Realisationstatbestände, an die das Steuerrecht entsprechende steuerliche Folgen knüpft, können deshalb nur in Form von Beispielen dargestellt werden. Es lassen sich immerhin drei Grundtatbestände unterscheiden: echte Realisierung, buchmässige Realisierung, steuersystematische Realisierung.

Echte Realisierung von stillen Reserven

Eine echte Realisierung von stillen Reserven liegt dann vor, wenn das zum Geschäftsvermögen einer Einzelfirma, eines Teilhabers an einer Personengesellschaft oder einer juristischen Person gehörende Wirtschaftsgut, dessen Buchwert unter dem IST-Wert liegt, entgeltlich veräussert wird.

Eine echte Realisierung liegt somit vor,

• wenn das Wirtschaftsgut veräussert wird und

• wenn diese Veräusserung entgeltlich erfolgt.

Vorbehalte

Vorbehalte sind in Bezug auf eine Reorganisation und auf die Ersatzbeschaffung zu machen.

• Erfolgt die entgeltliche Veräusserung im Rahmen einer Reorganisation,
  d.h. im Rahmen der Übertragung ganzer Komplexe von Aktiven und
  Passiven im Sinne eines Unternehmenszusammenschlusses oder einer
  Teilung einer Kapitalunternehmung, so kann diese steuerneutral erfolgen.

• Besteht das Entgelt der Veräusserung in einem gleichen oder ähnlichen
  Wirtschaftsgut, liegt mit anderen Worten die Beschaffung eines Ersatzes
  von betriebsnotwendigem Anlagevermögen vor, so können die stillen
  Reserven auf ein Ersatzobjekt mit gleicher Funktion übertragen werden.

Anmerkung: Als betriebsnotwendig gilt nach dem neuen Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) nur jenes Anlagevermögen, das dem Betrieb unmittelbar dient. Ausgeschlossen sind insbesondere Vermögensteile, die dem Unternehmen nur als Vermögensanlage oder nur durch ihren Ertrag dienen.

Rechtsgeschäft der Veräusserung

Als einer entgeltlichen Veräusserung zugrunde liegende Rechtsgeschäfte gelten:

• der Kauf,

• der Tausch,

• die Aufnahme oder das Ausscheiden von Teilhabern an Personengesell-
  schaften,

• die Enteignung,

• die Erbteilung, sofern die Erben als Erbengemeinschaft das ererbte
  Geschäftsvermögen im Interesse einer Weiterverfolgung des Ge-
  schäftszweckes über längere Zeit ungeteilt liessen.

Buchmässige Realisierung von stillen Reserven

Eine buchmässige Realisierung der stillen Reserven liegt vor, wenn der Buchwert eines Aktivums herauf- bzw. der Buchwert einer Verbindlichkeit herabgesetzt wird. Dieser Vorgang wird, obwohl vom Unternehmen kein Vermögen abfliesst und dem Unternehmen auch kein Vermögen zufliesst, als erfolgswirksam betrachtet. Gegenstand der Besteuerung ist der Buchgewinn.

Vorbehalt: Solche buchmässigen Wertveränderungen stehen unter dem Vorbehalt der handelsrechtlichen Höchst- und Tiefstwerte.

Steuersystematische Realisierung

Um zu verhindern, dass bei stillen Reserven dem schweizerischen Fiskus der steuerliche Zugriff endgültig entgeht, wird in gewissen Fällen, obwohl weder eine echte noch eine buchmässige Realisierung vorliegt, eine Realisierung angenommen.

Gesetzliche Grundlage: Gesetzliche Grundlage für steuersystematische Realisierungen von stillen Reserven bilden die Bestimmungen über die Besteuerung von Liquidationsgewinnen gemäss Art. 18 Abs. 2 DBG und Art. 58 Abs. 1 lit. c DBG.

Regelung der stillen Reserven bei Personengesellschaften: Bei Personengesellschaften ist vor allem die Überführung von Geschäftsvermögen in das Privatvermögen zu erwähnen (Art. 18 Abs. 2 DBG). Sodann liegt eine Überführung vom Geschäfts- ins Privatvermögen vor, wenn die überwiegende Nutzung eines Wirtschaftsgutes vom geschäftlichen zum privaten Teil dauerhaft wechselt.

Kapitalgesellschaften und stille Reserven: Bei den Kapitalgesellschaften sind die Verlegung des Sitzes, der Verwaltung, eines geschäftlichen Betriebes oder einer Betriebsstätte ins Ausland steuersystematische Realisierungen. Die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft wird steuerrechtlich als Realisationstatbestand behandelt, weil andernfalls die den Kapitalgesellschaften wesentliche steuerliche Doppelbelastung von Gesellschaft und Gesellschafter umgangen werden kann. Als steuersystematische Realisierung gilt auch, wenn eine bisher als Betriebsgesellschaft besteuerte Gesellschaft den Status einer kantonal-rechtlich privilegierten Holding- oder Domizilgesellschaft erhält.

Kapitalsteuerrechtliche Behandlung von stillen Reserven

Da der Bund keine Kapitalsteuer erhebt, besteht das Problem nur bei den Kantons- und Gemeindesteuern. Von der Kapitalsteuer wird das steuerbare Eigenkapital erfasst, das aus dem einbezahlten Grund- oder Stammkapital, den offenen und den aus versteuertem Gewinn gebildeten stillen Reserven besteht.

Vom steuerbaren Kapital erfasst sind die stillen Reserven somit nur insoweit, als sie als Gewinn versteuert worden sind. Solche stille Reserven stellen meistens steuerlich nicht anerkannte und daher zum Gewinn aufgerechnete Abschreibungen und Rückstellungen dar. Die steuerlich zugelassenen und akzeptierten stillen Reserven gehören somit nicht zum steuerbaren Kapital.

Gewinnsteuerrechtliche Behandlung stiller Reserven

Bei Bildung der stillen Reserven

Verminderung des Buchgewinnes: Durch Bildung von stillen Reserven
  vermindert sich in der Regel der für die Steuerberechnung massgebende
  Buchgewinn. Im Umfang der gebildeten stillen Reserven bleibt ein Teil des
  wirtschaftlichen Gewinnes bis zu dessen Realisierung unbesteuert.

Nicht anerkannte stille Reserven: Stille Reserven, die von der Steuerbe-
  hörden nicht anerkannt werden, unterliegen der direkten Bundessteuer
  und ihre spätere Realisierung führt zu keiner Besteuerung mehr.

Bei Realisierung der stillen Reserven

Einheitliche Besteuerung: Stille Reserven, die realisiert werden, unter-
  liegen, unabhängig davon, ob es sich hierbei um ordentliche oder ausser-
  ordentliche Gewinne handelt, der einheitlichen Besteuerung des Unter-
  nehmensgewinnes.

Massgebender Zeitpunkt: Bei der echten Realisierung ist der Zeitpunkt
  des Erwerbs des festen, durchsetzbaren Rechtsanspruches auf das
  Entgelt massgebend. Bei der buchmässigen Realisierung ist der Zeit-
  punkt der Verbuchung massgebend.

Gesonderte Besteuerung: Werden die stillen Reserven im Rahmen einer
  Liquidation realisiert, so unterliegen sie zusammen mit dem Liquidations-
  gewinn der gesonderten Besteuerung in Form einer Jahressteuer.

Steuerneutralität: Die im Rahmen von Ersatzbeschaffungen, Umwand-
  lungen, Zusammenschlüssen und Teilungen von Unternehmungen über-
  tragenden stillen Reserven unterliegen mangels Annahme eines Rea-
  lisierungstatbestandes keiner Besteuerung.

(17.02.2011)