Der Factoringvertrag
Factoring wird nicht nur in Europa, sondern auch in der Schweiz immer beliebter, doch was genau ist Factoring?
Der folgende Kurzbeitrag erläutert den Begriff des Factoringvertrages und seine wirtschaftliche Funktion. Abgerundet werden die Erläuterungen durch einen Blick in das spezialgesetzliche Umfeld des Versicherungs-, Geldwäscherei- und Bankenrechts.
Factoringvertrag - Begriff
Durch den Factoringvertrag tritt eine Partei (der Klient) der anderen Partei (dem Factor) einzelne oder sämtliche Debitorenforderungen, welche der Klient gegenüber seinen Kunden (z.B. seine Abnehmer, Schuldner, Debitoren) hat, ab.
Gleichzeitig verspricht der Factor dem Klient, ihm nach Abzug einer Factoringgebühr den Gegenwert der Debitorenforderung/en zu bevorschussen und über die abgetretene/n Forderung/en Buch zu führen. In der Regel werden weitere damit zusammenhängende Dienstleistungen wie z.B. die Übernahme des Forderungsinkassos und/oder des Delkredererisiko vereinbart.
Der Factoringvertrag und seine wirtschaftliche Funktion
Die wirtschaftliche Funktion des Factorings besteht in der Ausgliederung gewisser administrativer Aufgaben des Klienten auf einen Dritten (Factor, Factoringgesellschaft). Insbesondere durch das beim Factoringvertrag vorgenommene Outsourcing der Forderungsverwaltung auf ein dafür spezialisiertes Unternehmen, wird der Klient in der Buchhaltungsadministration entlastet.
Aus ökonomischer Sicht ist der Factoringvertrag vor allem deshalb interessant, weil der Klient von einem raschen Liquiditätszufluss profitiert, indem ihm seine Debitorenforderungen vom Factor bevorschusst werden.
Factoring gilt daher als besondere Form der Unternehmensfinanzierung, wodurch die Abhängigkeit von herkömmlichen Finanzierungsquellen, wie beispielsweise dem Kontokorrentkredit, reduziert werden kann.
Ist beim Factoringvertrag allenfalls Spezialgesetzgebung zu beachten?
Versicherungsgesetzgebung
Die Übernahme des Delkredererisikos durch den Factor weist auf den ersten Blick versicherungsrechtliche Züge auf. Durch die Übernahme sichert der Factor das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Kunden zugunsten des Klienten ab.
Weil es sich bei der Übernahme des Delkredererisikos aber um einen Forderungskauf mit anschliessender Zession handelt, kommen ausschliesslich die Bestimmungen des Obligationenrechts zu Anwendung.
Beim Factoringvertrag liegt damit keine Versicherung im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) vor.
Geldwäschereigesetzgebung
Für die Frage, ob das Factoring der Geldwäschereigesetzgebung unterstellt ist, ist die Praxis der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei zu Art. 2 Abs. 3 GwG und insbesondere der Unterstellungskommentar Kst1 zu konsultieren.
Dort wird (in Rn. 128) festgehalten:
"Weil die Vorfinanzierung einer Vertragspartei ebenfalls als Kredit betrachtet werden kann, sind Handelsfinanzierungen nach dem Wortlaut des Gesetzes (Art. 2 Abs. 3 lit. a GwG) grundsätzlich unterstellt. Unter diesen Begriff werden im Allgemeinen der Diskontkredit, der Zessionskredit, das Factoring (....) subsumiert."
Zum Factoring insbesondere nimmt der Unterstellungskommentar (in Rn. 133 ff.) wie folgt Stellung:
"Hier handelt es sich um eine Handelsfinanzierung, bei welcher ein Gläubigerwechsel stattfindet und der Rückfluss des Geldes nicht von der vorfinanzierten Vertragspartei (Kunde [entspricht vorliegend dem Klient]), sondern von dritter Seite (ursprünglich Schuldner) geleistet wird. Damit ist es der vorfinanzierten Vertragspartei nicht möglich, verbrecherisch erlangte Mittel zur Rückzahlung des Kredits einzusetzen, weshalb eine Unterstellung unter das GwG nutzlos wäre.
Zwischen dem ursprünglichen Schuldner und dem Factor besteht typischerweise kein Vertragsverhältnis. Der Factor kassiert lediglich die inzwischen fällige Forderung ein, womit keine Unterstellungspflicht ausgelöst wird."
Bankengesetzgebung
Aufgrund der Finanzierungsfunktion des Factorings stellt sich die Frage, ob der Factor allenfalls der Bankengesetzgebung unterstellt ist.
Die Tätigkeit des Factors weist tatsächlich eine gewisse Nähe zum Bankgeschäft auf.
Ein Aktivgeschäft betreibt, wer gewerbsmässig Publikumseinlagen entgegennimmt oder sich öffentlich dafür empfiehlt, "um damit auf eigene Rechnung eine unbestimmte Zahl von Personen oder Unternehmen, mit denen sie keine wirtschaftliche Einheit bilden, auf irgendwelche Art zu finanzieren" (Art. 2a lit. a und b BankV). Insofern stellt das Factoring ein bankmässiges Geschäft dar.
Weil aber "Gelder, die eine Gegenleistung aus einem Vertrag auf Übertragung des Eigentums oder aus einem Dienstleistungsvertrag darstellen oder als Sicherheitsleistung übertragen werden" nicht als Einlagen gelten, fallen die vom Factor entgegengenommenen Zahlungen nicht darunter (Art. 3a Abs. 3 lit. a BankV).
In der Schweiz erfüllt zurzeit kein Factor die Voraussetzungen einer Bank im Sinne der Bankengesetzgebung.
Kst1 hier abrufbar: Doku Kontrollstelle für Bekämpfung der Geldwäscherei GwG
(06.01.2011)