Arbeitslosigkeit erneut grösste Sorge – insgesamt jedoch optimistisch gestimmte Schweizer Bevölkerung
In der Sorgenbarometer-Umfrage der Credit Suisse nimmt die Arbeitslosigkeit dieses Jahr erneut die Spitzenposition ein. Trotz Wirtschaftskrise in Europa sehen die Befragten zuversichtlich in die Zukunft: Die Mehrheit schätzt die Wirtschaftslage für die Schweiz stabil ein, ein Fünftel erwartet eine Verbesserung. Dieser Wirtschaftsoptimismus mag angesichts der Probleme in Europa überraschen. Der Optimismus spiegelt sich auch beim Privatkonsum und lässt sich gemäss dem Forschungsinstitut gfs.bern wohl am ehesten erklären durch die robuste Binnenwirtschaft. Dass die Arbeitslosigkeit trotzdem und nun zum zehnten Mal in Folge die Hauptsorge bleibt, kann dahin gehend gedeutet werden, dass seit der Wachstumsschwäche der Neunzigerjahre – neben gesellschaftlichen Gründen – ein hoher Beschäftigungsgrad als Schlüsselfaktor für das Funktionieren der Schweiz angesehen wird.
Neben der Arbeitslosigkeit landeten in den Jahren 2003 bis 2010 ausnahmslos die Sorgen um die Altersvorsorge sowie das Gesundheitswesen auf den beiden weiteren Podestplätzen. Diese Hierarchie wurde nun zum zweiten Mal nacheinander durchbrochen, ohne dass diese «Traditionssorgen» deswegen an Relevanz verloren hätten. Insgesamt ist eine Nivellierung mit entsprechend tieferen Werten feststellbar.
René Buholzer, Leiter Public Policy der Credit Suisse, sagte: «Das Sorgenbarometer der Credit Suisse leistet seit 36 Jahren einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Diskussion. Die stets gleiche Methodik erlaubt eine langfristige Betrachtung und lässt Trends erkennen, die für Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von Bedeutung sind. Die diesjährige Umfrage bestätigt unseren Eindruck, dass sich die Schweizer Wirtschaft nicht zuletzt dank der Innovationskraft und der Anpassungsfähigkeit ihrer Unternehmen im internationalen Vergleich bis anhin gut behaupten konnte und durch eine robuste Binnenwirtschaft mit einem starken Privatkonsum zusätzlich getragen wird.»
Geringe Konjunktursorgen
Im Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 sind die konjunkturellen Sorgen wieder etwas in den Hintergrund getreten: Die Finanzkrise landet mit 14 Prozent auf Platz 13 von 34 vorgegebenen Begriffen, die Wirtschaftskrise mit 9 Prozent auf Platz 20 und die Sorgen rund um die Börsen mit 7 Prozent auf Platz 24. Erstmals befragt wurde die Eurokrise, die mit 22 Prozent auf Anhieb auf Rang 6 kam. Die insgesamt positive Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung lässt darauf schliessen, dass ein Grossteil der Bevölkerung an die Robustheit der Schweizer Wirtschaft glaubt und nicht davon ausgeht, dass die Eurokrise sich stark und nachhaltig auf das Land auswirken wird.
Sicherung der AHV als aktuelles Ziel
Eine zentrale Sorge der Schweizer Bevölkerung ist nach wie vor die Sicherung der Altersvorsorge. Nach einem Rückgang im Vorjahr befindet sich die AHV mit 36 Prozent wieder im (unteren) Bereich des langjährigen Trends. Dabei sind es aber nicht etwa die Jungen, welche die grössten Bedenken äussern, sondern die aktuellen Bezüger, die offensichtlich Angst vor einschneidenden Kürzungen haben. Darüber hinaus ist die Sorge bei den Frauen stärker erkennbar als bei den Männern und ist vor allem in der Stadt viel deutlicher als auf dem Land. Dementsprechend gilt für 95 Prozent die Sicherung der Altersvorsorge als sehr wichtiges aktuelles Ziel, das die Politiker verfolgen sollten. Das Problem Gesundheitswesen hingegen hat, wohl wegen des verlangsamten Anstiegs der Krankenkassenprämien, auf dem im Vergleich zu früher relativ tiefen Niveau von 30 Prozent stagniert.
Umweltbewusstsein nimmt zu
Die Sorgen um die persönliche Sicherheit und die soziale Sicherheit, die in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hatten, sind wieder etwas zurückgefallen. Als nächstes Problempaket folgen die Umwelt- und Energiethemen, die vor dem Hintergrund des diesjährigen Umweltgipfels Rio +20 und der anhaltenden Debatte um den Ausstieg aus der Atomenergie nach wie vor präsent sind. Das allgemeine Umweltbewusstsein hat gegenüber dem Vorjahr leicht zugenommen auf heute 18 Prozent. Von einem Wert wie in den Jahren 1988 bis 1995, im Durchschnitt 56 Prozent, sind die Schweizer aber noch weit entfernt. Immerhin ist in Zukunft eine weitere Zunahme zu erwarten: Hinter den Antworten auf die Frage, worunter die zukünftigen Generationen am meisten zu leiden haben, befinden sich jedenfalls Umwelt und Klima gemeinsam mit Arbeitsmangel an der Spitze.
Politiker versagen selten
Seit 1995 wird im Sorgenbarometer erhoben, ob die Wirtschaftsführer beziehungsweise die Exponenten in Regierung und Verwaltung in entscheidenden Dingen oft oder selten versagen. Im Langzeittrend schneidet die Wirtschaft dabei klar besser ab als die Politik. In diesem Jahr spricht jedoch mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Politik indirekt ihr Vertrauen aus, indem sie ihr attestiert, nur selten zu versagen; das war bis jetzt einzig 1998 der Fall. Auch der Wirtschaft wird zwar immer noch von 48 Prozent «seltenes Versagen» bescheinigt, aber die Werte sind weitaus tiefer als im Langzeitdurchschnitt.
Allgemeiner Vertrauensschwund
Bei der konkret gestellten Vertrauensfrage geniessen bei den Schweizerinnen und Schweizern nach wie vor Institutionen wie die Polizei, das Bundesgericht und der Bundesrat das grösste Vertrauen. Insgesamt ist jedoch ein gewisser Vertrauensschwund in den beiden letzten Jahren zu konstatieren. Betrug das Vertrauen in die zur Auswahl stehenden Akteure im Jahr 2010 noch durchschnittlich 60 Prozent, so waren es letztes Jahr 53 und dieses Mal sogar nur noch 47 Prozent. Hauptursache dafür sind die tieferen Umfragewerte für die Medien, Banken, Wirtschaftsverbände sowie für die Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen. Wie in den Vorjahren ist am Schluss die Europäische Union anzutreffen, wobei das Rekordtief zur gestiegenen Ausländerskepsis in der Schweiz passt.
Die Schweizerinnen und Schweizer sind stolz auf ihr Land
Die neuste «Identität»-Umfrage der Credit Suisse, die gleichzeitig mit dem Sorgenbarometer 2012 durchgeführt wurde, zeigt, dass 86% der Schweizerinnen und Schweizer stolz auf ihr Land sind. Der Rekordwert von 2007 wird damit egalisiert; lediglich 11 Prozent der Bevölkerung sind nicht stolz auf ihr Land, so wenige wie nie zuvor. Dieser Nationalstolz gründet 2012 weit stärker als im Vorjahr auf politischen Komponenten. Zuoberst stehen dabei Neutralität und Eigenständigkeit. Die Volksrechte und die Mitsprachemöglichkeiten erzielen ebenfalls hohe Werte. Betrachtet man allein die Zuwachsrate, so fallen vor allem der starke Stolz auf die Bundesverfassung und das Milizsystem auf. Alles in allem sind sich die Schweizer wieder vermehrt und mit Stolz der politischen Sonderlösungen ihres Landes bewusst.
Bei den fünf wichtigsten Stärken des Landes ergeben sich gegenüber dem Vorjahr ebenfalls leichte Verschiebungen zugunsten der Politik. An der Spitze liegen die Neutralität und die Bildung, deren Wert sich seit 2006 fast verdoppelt hat. Hoch gewichtet werden auch die Mitspracherechte. Demgegenüber erleidet die Schweizer Qualität, während Jahren ganz zuoberst platziert, einen deutlichen Wertschätzungseinbruch. Es folgen Frieden sowie Ordnung und Sauberkeit, ein Begriffspaar, das nach einem kontinuierlichen Bedeutungsverlust nun wieder einen Sprung nach oben macht.
Repräsentative Umfrage
Welches sind des Schweizers grösste Sorgen? Und wie steht es um das Vertrauen in die Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft? Diesen Fragen geht die Credit Suisse seit nunmehr 36 Jahren in ihrer jährlichen Sorgenbarometer-Umfrage nach. Zwischen dem 30. Juli und 31. August 2012 befragte das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der Credit Suisse 1000 Stimmberechtigte in der ganzen Schweiz nach deren Sorgen. Die Befragten konnten aus einer Auswahl von 34 Sorgen die fünf wichtigsten auswählen.
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• «Credit Suisse Sorgenbarometer 2012»
(Communiqué, 11.12.2012)
Frühere Ausgabe
• «Credit Suisse Sorgenbarometer 2011»