Betrugsbekämpfung im Unternehmen
Langjährige Kadermitarbeiter von Grossfirmen veruntreuen Millionenbeträge, Manager manipulieren Abschlusszahlen, international operierende Anlagebetrüger bringen zahlreiche Anleger um ihre Ersparnisse. Die Folgen: Firmen werden an den Rand des Ruins gedrängt, rechtschaffene Bürger um das hart erarbeitete Vermögen gebracht. Den Betrugstatbeständen ist eines gemeinsam: Einzelne Täter verschaffen sich Geld und Reichtum auf unrechtmässige Weise - zulasten anderer.
Massnahmen zur Betrugsbekämpfung
Machtkonzentrationen vermeiden
Das effizienteste Mittel zur Betrugsbekämpfung ist nach wie vor eine konsequente Gewaltentrennung. In der Praxis stellen wir in den meisten Fällen von Betrug unnötige Machtkonzentrationen fest, welche den Betrug überhaupt erst ermöglicht haben. Nutzen Sie diese Erkenntnisse durch Konsequenz (vergessen Sie nicht, dass eine Kette immer am schwächsten Glied bricht).
Corporate Governance als Mittel der Betrugsbekämpfung
Ethische Grundsätze (Corporate Governance) müssen glaubhaft und konsequent vorgelebt werden, die interne Revision ist unabhängig zu gestalten und für Betrugsbekämpfung und -aufdeckung auszubilden und einzusetzen. Die Führung muss eine harte und konsequente Haltung gegenüber Delinquenten einnehmen und mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten, auch dann, wenn dies schmerzhafte Anpassungen innerhalb des Unternehmens bedeutet (wie z.B. bei Kartellverstössen und Korruption).
Betrugsbekämpfung in präventiver Form
Die weitaus effizienteste Präventionsmassnahme ist es, keinen Betrüger einzustellen. Heutige Personalevaluationen stellen aber (zu Recht) die Beurteilung der Person und deren Fähigkeiten in den Mittelpunkt. Wer aber prüft den Wahrheitsgehalt der im Curriculum gemachten Angaben zur Ausbildung? Dies aber nicht zu tun, ist in Zeiten, wo Universitätsabschlüsse und Doktorwürden im Internet billig zu haben sind, ein risikoreiches Verhalten. Besonders bei internationalen Cross-Country CVs ist eine Verifikation gar nicht so einfach (und wird deshalb oft unterlassen).
Besonders in sensitiven Abteilungen (Einkauf, Projektorganisationen, Forschungsabteilungen, Verkaufsabteilungen für "heikle Länder", selten besuchte Tochtergesellschaften, etc.) sind aperiodisch durchgeführte Systemprüfungen und Risikoanalysen zur Betrugsbekämpfung sinnvoll. Beim ersten Mal sind konkrete Probleme nicht auszuschliessen (was im Nachhinein den Aufwand rechtfertigt), zudem führt eine saubere Aufarbeitung mit den Verantwortlichen zu einem grossen Präventionseffekt.
Wie entdecken wir Betrug?
Die Revisoren erzählen uns bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, dass es nicht ihre Aufgabe sein könne, Betrugstatbestände zu erkennen. Die Finanzdienstleister beklagen sich seit Jahren, dass es unfair sei, ihnen die Aufgabe zu übertragen, in der Vielzahl der über sie abgewickelten Geldtransaktionen diejenigen herauszufiltern, die aus strafrechtlich relevanten Tatbeständen stammen.
Beide Berufsgruppen sind einhellig der Meinung, dass Betrugstatbestände fast nicht zu erkennen seien und meist keine Spuren hinterlassen. Diese Ansicht ist weit verbreitet - aber falsch.
In der Praxis stellen wir immer wieder fest, dass zahlreiche, erkennbare Indikatoren eine frühzeitige Betrugsbekämpfung ermöglichen, diese aber übersehen, missachtet oder sogar bewusst verdrängt werden.
Indikatoren für Betrug
Ein Täter ist unter Dauerstress: er ist chronisch überlastet, betreibt eine übertriebene Geheimhaltung, geht nur tageweise in die Ferien, lässt Fragen unbeantwortet, gibt aber auch ungefragte Antworten, nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau und - last but not least - gibt meist mehr aus, als er verdient.
Jeder Betrug bewirkt letztlich fehlende Einnahmen oder überhöhte Ausgaben - und hinterlässt damit eine Spur in der Buchhaltung. Diese Erkenntnis ist banal - aber wichtig in der Betrugsbekämpfung.
Betrugsbekämpfung im Ernstfall
Selten werden so viele Managementfehler begangen wie im Umgang mit ersten Anzeichen auf Betrug. Da wird weggeschaut, der mögliche Täter darauf angesprochen (wonach er die professionelle Vertuschung sicherstellt), mögliche Zeugen werden eingeschüchtert (so, dass sie nichts mehr sagen) und Beweismittel werden vernichtet (weil deren Bedeutung nicht erkannt wird). Die Risiken des Aktivwerdens werden gegenüber den Risiken des kurzfristigen Nichtstun meist massiv überschätzt.
Selbstverständlich gibt es keine einfachen Rezepte für den Umgang mit Betrugsverdacht. Am besten holen Sie sich professionelle Unterstützung. Die folgenden Empfehlungen haben aber praktisch immer Gültigkeit:
Betrugsbekämpfung heisst kühlen Kopf bewahren
Tun Sie erst einmal gar nichts (aussen denken), wenn Sie Verdacht auf Betrug hegen. Die meisten Kapitalfehler in einer Ermittlung werden ganz am Anfang gemacht - und sind fast nicht mehr gutzumachen. Fälschlicherweise meinen viele, es sei Dringlichkeit angesagt, dabei ist Sorgfalt in dieser Phase wichtiger - viel wichtiger.
Vorsicht mit Vertrauen
Gute Manager sind gewohnt, im Rahmen von Betrugsbekämpfung ein möglichst grosses Team für die Problemlösung einzusetzen. Dies ist bei Betrugsverdacht falsch. Erst wenn sie absolut sicher sind, dass jemand sicher nicht involviert sein kann und deshalb unabhängig ist, können Sie sich ihm anvertrauen (und auch dann nur, wenn er Ihre Regeln bedingungslos akzeptiert).
Beurteilung der Informationsquelle
Suchen Sie zuerst einmal die wirkliche Quelle (es wurde mir zugetragen, dass ....). Beurteilen Sie die Qualität der Quelle, aus der Ihre ersten Informationen stammen. Könnte der Informant persönliche oder gar böswillige Absichten verfolgen? Gibt es Verdachtsmomente aus verschiedenen Richtungen oder stammen alle Informationen aus einer Quelle? Welches Motiv hat der Informant? - und denken Sie daran: er hat immer eines!
Beweissicherung unabdingbar für Betrugsbekämpfung
Dokumentieren Sie die Untersuchung minutiös. Die Bedeutung einzelner Beweismittel wird oft erst später erkannt. Die Verwaltung möglicher Beweismittel ist zudem eine eigentliche Kunst. Denken Sie dabei daran, wie kurz die Halbwertszeit von Informationen ist. Viele Ermittlungen bei Grossbetrug verlaufen im Sand, weil nach einer längeren Ermittlungsphase früher vorhandene Erkenntnisse für immer verloren sind.
Umgang mit Tatverdächtigen
Lassen Sie sich nicht einengen - bleiben Sie am Anfang der Betrugsbekämpfung bei einer breiten Palette von möglichen Tätern - dies verhindert böse Überraschungen. Sie wären wirklich nicht der Erst, der die Ermittlungen noch einmal von vorne beginnen muss.
Fachleute in Betrugsbekämpfung miteinbeziehen
Es gibt wirklich nur wenige Spezialisten, die das gesamte Instrumentarium möglicher Ermittlungsmassnahmen und die Durchsetzung von Regressansprüchen beherrschen. Diese arbeiten eng mit der Rechtsabteilung und mit der internen Revision zusammen. Holen Sie nicht ihre externe Revision: Diese ist nicht unabhängig und wird vielleicht miteinbezogen, wenn es gilt, den Schaden zu decken.
(03.02.2011)