Besserer Schutz für Zeuginnen und Zeugen: Neue nationale Zeugenschutzstelle
Bedrohte Zeuginnen und Zeugen in Strafverfahren des Bundes und der Kantone werden in der Schweiz in Zukunft besser geschützt. Eine neue nationale Zeugenschutzstelle beim Bundesamt für Polizei (fedpol) führt zu diesem Zweck ab nächstem Jahr Schutzprogramme durch. Mit dieser Massnahme werden Zeugen auch ausserhalb der eigentlichen Verfahrenshandlungen und nach Abschluss des Verfahrens geschützt.
Der Bundesrat hat am 7. November 2012 die Ergebnisse der Vernehmlassung zum Verordnungsentwurf über den ausserprozessualen Zeugenschutz zur Kenntnis genommen und die Verordnung verabschiedet. Alle Kantone haben sich mit den Grundzügen der Vorlage einverstanden erklärt. Der Bundesrat setzt das Zeugenschutzgesetz und die Verordnung damit wie geplant auf den 1. Januar 2013 in Kraft.
Parallel dazu ratifiziert die Schweiz nun auch das Übereinkommen des Europarates gegen Menschenhandel. Das Übereinkommen wurde von der Schweiz im Jahr 2008 unterzeichnet und vom Parlament Ende 2011 genehmigt. Es zielt darauf ab, alle Formen von Menschenhandel auf inner- und zwischenstaatlicher Ebene zu bekämpfen. Die Schweiz hat die meisten der verbindlichen Anforderungen des Übereinkommens bereits bisher weitgehend erfüllt. Mit der rechtlichen Regelung des ausserprozessualen Zeugenschutzes wird nun auch die letzte Lücke geschlossen.
Die neue nationale Zeugenschutzstelle
Ab 2013 führt eine zentrale Zeugenschutzstelle beim Bundesamt für Polizei (fedpol) Schutzprogramme zu Gunsten gefährdeter Zeuginnen und Zeugen durch. Wichtig ist ein solcher Zeugenschutz überall dort, wo die Strafverfolgungsbehörden mangels anderer Beweismittel besonders stark auf Zeugenaussagen angewiesen sind und Zeugen ohne Schutz nicht zu Aussagen bereit sind.
Die Massnahmen der Zeugenschutzstelle bezwecken insbesondere den Schutz gefährdeter Zeuginnen und Zeugen ausserhalb eigentlicher Verfahrenshandlungen, wenn nötig auch nach Abschluss eines Strafverfahrens. Obschon es sich in erster Linie um ein Zeugenschutzprogramm für betroffene Opfer handeln soll, ist es denkbar, dass auch Personen aus dem Umkreis der Täterschaft in ein solches Programm aufgenommen werden. Im Gegensatz zur Kronzeugenregelung erhalten Täter jedoch keine Zusicherung der Straffreiheit oder andere prozessuale Vorteile.
Strafverfolgungsbehörden sind auf Zeugenaussagen angewiesen
Zeugenschutz und Zeugenbeeinflussung ist generell überall dort ein zunehmendes Problem, wo die Strafverfolgungsbehörden mangels anderer Beweismittel besonders stark auf Zeugenaussagen angewiesen sind. Dies ist neben den Hauptanwendungsbereichen der organisierten Kriminalität und der Terrorismusbekämpfung auch im Bereich des Menschenhandels der Fall.
Die Erfahrungen im In- und Ausland zeigen, dass eine erfolgreiche Bekämpfung von terroristischer Gewaltkriminalität, organisierter Kriminalität oder anderer vergleichbarer schwerer und Schwerstkriminalität mangels Sachbeweisen häufig nur mit Hilfe von Zeugenaussagen möglich ist. Erfahrungen der Polizei zeigen, dass potentielle Zeugen aus Angst oder nach massiven Drohungen oft nicht bereit sind, belastende Aussagen ohne Schutz zu machen. Die Aussagebereitschaft gefährdeter Zeugen kann in solchen Fällen oft nur durch entsprechende Schutzmassnahmen hergestellt und aufrecht erhalten werden.
Breite Palette von Zeugenschutzmassnahmen
Die Palette der konkreten Zeugenschutzmassnahmen ist breit: von der Unterbringung der zu schützenden Person an einem sicheren Ort bis hin zum Aufbau einer neuen vorübergehenden Identität und Integration in ein neues Leben. Aus Sicherheitsgründen können nicht alle Massnahmen öffentlich kommuniziert werden. Die Zeugenschutzstelle wird schrittweise bis zum Vollbestand von 10 Personen aufgebaut.
Die Anzahl Fälle ist schwierig zu beziffern, da sie von den einzelnen Strafverfahren abhängen und in der Schweiz keine Zahlen vorliegen. Aufgrund von Schätzungen ist mit 10 bis 15 Fällen pro Jahr zu rechnen, wobei nicht alle die gleiche Intensität aufweisen werden und pro Fall mehrere Personen (Familie, andere nahestehende Personen) betroffen sein können. Die Zeugenschutzstelle wird zusätzlich die Kantone beraten und unterstützen, wenn Personen, die nicht in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden können, einzelner Schutzmassnahmen bedürfen.
Das Zeugenschutzprogramm kann beendet werden, wenn die Gefährdung wegfällt oder (unter Wahrung der Verhältnismässigkeit), wenn die geschützten Personen die Vereinbarung und die darin festgehaltenen Bedingungen schwerwiegend verletzen. Beispiele für eine Beendigung des Programmes können z.B. kriminelles Verhalten während der Schutzmassnahme oder die erneute Kontaktnahme mit dem kriminellen Milieu sein.
Zeugenschutz ist grundsätzlich kostenintensiv und daher in erster Linie im Zusammenhang mit bedeutenden Aussagen vorgesehen. Die Fallkosten sind abhängig vom Sachverhalt und damit der Art der angewendeten Massnahmen, der Dauer der Betreuung und der Anzahl Angehöriger, die ebenfalls betreut werden. Die Kosten sinken mit zunehmender „Laufzeit“ des Falles, wenn der Zeuge selbständig wird und sich selber finanzieren kann, also mit einer neuen Identität in einer neuen Umgebung wieder Fuss fasst und ein „normales“ Leben führen kann.
Downloads
- Verordnung (380 Kb, pdf)
- Erläuterungen (136 Kb, pdf)
- Vernehmlassungsergebnisse (102 Kb, pdf)
Bild: Dieter Schütz/pixelio.de
(br/ejpd/fedpol, 07.11.2012)